
Vom Kuhstall zum Kulturraum
Der Besitzer Jürgen Altmann in seinem Kino Peterhof Lichtspiele. Foto: Helen von der Höden
Eine Zeitreise in die Bayrischzeller Kinogeschichte
Ein Kino in einem alten Kuhstall mitten in Bayrischzell. Das Kino Peterhof Lichtspiele wurde 1954 gegründet und ist ein Stück regionaler Kultur- und Kinogeschichte. Wir nehmen Platz in den Mahagoni-Kinostühlen und treffen den Besitzer Jürgen Altmann zum Gespräch über die Vergangenheit und Zukunft dieses ungewöhnlichen Orts.
Bayrischzell hat nur 1.600 Einwohner und doch seit 1954 ein eigenes Kino mit 300 Plätzen. Früher waren diese immer besetzt, doch seit 2008 findet im Peterhof Lichtspiele kein Kinobetrieb mehr statt. Die Pforten öffnen sich nur noch für besondere Veranstaltungen.
Jürgen Altmann spricht mit Helen von der Höden über die Vergangenheit des Kinos, seine Erinnerungen und wie es mit diesem besonderen Ort weitergehen könnte.
Nostalgie und die gute alte Zeit
Der unscheinbare Eingang des Kinos liegt neben dem 300 Jahre altem Peterhof der Familie Altmann. Von außen mögen die Lichtspiele unscheinbar sein, doch wenn man eintritt, fühlt es sich an, wie eine Zeitreise. Wer das kleine Kino in Bayrischzell betritt, verlässt die Gegenwart: kein Neonlicht, keine Musikberieselung, kein Popcorn und keine seelenlosen Kinosessel mit Getränkehaltern.
Der Peterhof mit dem Eingang zu den Lichtspielen rechts. Foto: Helen von der Höden
Stattdessen empfängt den Besucher der Duft von altem Holz, das gedämpfte Knarzen des Bodens unter den Schritten und weiches gelbes Licht. Der riesige Kinosaal mit Leinwand, Bühne und einer Orgel wurde in einem ehemaligen Kuhstall gebaut. Das Kino zeigt seit nunmehr 71 Jahren, wie gut sich die Vergangenheit anfühlen kann: entschleunigt, charmant und mit einer Herzlichkeit, die man heute kaum mehr findet.
Der Projektor stammt aus einer anderen Ära und auf den holzgetäfelten Wänden hängen vergilbte Filmplakate vergangener Jahrzehnte. Inmitten der bayerischen Alpen, wo andere Orte längst dem Zeitgeist nachgegeben haben, hat dieses Kino die Nostalgie konserviert und öffnet sich zugleich der Zukunft.
Detailaufnahme Philipps-Tonanlage K. Foto: Helen von der Höden
Ein Gespräch mit Jürgen Altmann über die Geschichte der Peterhof Lichtspiele und warum das Kino unbedingt erhalten bleiben sollte:
HvdH: Ein eigenes Kino ist etwas Besonderes in einem kleinen Ort wie Bayrischzell. Wann wurde das Kino gegründet?
JA: Meine Urgroßmutter gründete 1954 das Kino in ihrem alten Kuhstall. Auf der großen Bühne fanden auch andere Veranstaltungen statt. Es wurden verschiedene Theatergruppen eingeladen und auch immer wieder klassische Konzerte veranstaltet. Auch das Tegernseer Bauerntheater stand schon hier auf der Bühne.
Der Kinosaal mit großer Leinwand und Bühne. Foto: Helen von der Höden
HvdH: Welche Filme wurden hier gezeigt?
JA: Der Eröffnungsfilm war damals „Der Klosterjäger“. Vor allem Heimatfilme wurden zu dieser Zeit hier gezeigt – oft waren auch Schauspieler und Regisseure vor Ort und präsentierten ihre Filme. Im Landkreis gab es damals nur wenige Kinos. 1957 wurde sogar ein Film hier im Ort gedreht: „Der Bauerndoktor von Bayrischzell“ von Hans Schott-Schöbinger und der wurde dann häufig gespielt in unserem Kino. Da waren die Besucherzahlen immer gut.
Detailaufnahme des Eingangs. Es hat sich in den letzten 71 Jahren nichts verändert. Foto: Helen von der Höden
HvdH: Was geschah nach dem Tod deiner Urgroßmutter?
JA: Nach dem Tod meiner Urgroßmutter sind meine Eltern, meine Schwester und ich 1970 von München nach Bayrischzell gezogen. Dann wurde das Kino von meinem Vater betrieben. Neben den Heimatfilmen wurden dann später auch viele Blockbuster-Filme wie King Kong oder Dinosaurier-Filme gezeigt.
HvdH: Hier im Kino herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Wie würdest du die Einrichtung des Kinos beschreiben?
JA: Die Ausstattung wurde nie verändert und sie ist noch immer im Originalzustand von damals: Der Saal hat 300 Holz-Kinostühle, davon sind zwei Sitzreihen gepolstert. Alle Sitze sind noch in sehr gutem Zustand. An den Wänden hängen die Bilder und Poster der Stars wie Joachim Fuchsberger, Rudi Carrell, Roy Black, Jean-Paul Belmondo oder Elvis.
HvdH: Es gibt ja sogar eine alte Orgel im Saal – wie kam es dazu?
JA: Dass wir eine Orgel haben, ist schon ungewöhnlich. Meine Urgroßmutter hat damals die alte Orgel der Kirche in Bayrischzell kaufen können. Sie wurde damals ins Kino eingebaut und ist immer noch funktional – müsste aber mal gewartet werden.
Die Orgel im Kinosaal. Foto: Helen von der Höden
HvdH: Was macht das Kino für dich besonders?
JA: Ein Highlight für mich ist die Raucherlounge. Dieser spezielle Raum liegt oberhalb der Kinoreihen, umfasst 14 Sitzplätze und ist nur über die Privaträume des Haupthauses nebenan zugänglich. Sie ist durch eine große Glasscheibe vom Kino abgetrennt. Dort wurde nicht nur stark gequalmt, sondern auch alkoholische Getränke am Platz serviert. Ich habe oft die Bedienung übernommen und meine ersten gastronomischen Erfahrungen gesammelt.
Der Kinosaal mit Raucherlounge oben. Foto: Helen von der Höden
HvdH: Du bist ja mit dem Kino aufgewachsen. Wie hast du das erlebt?
JA: Als kleiner Bub hat es mich natürlich stark interessiert, was im Kino läuft – vor allem Filme, die ich eigentlich gar nicht sehen durfte. Die Plakate von manchen Produktionen waren damals schon freizügig und Körperteile waren mit Aufklebern abgeklebt. Um diese sehen zu können, habe ich mich als Jugendlicher schon mal ins Kino eingeschlichen. Im Kinosaal ist ja die Orgel eingebaut und diese hat einen Zugang von außen. Als Kind konnte ich in diese Öffnung hereinkriechen und von dort die verbotenen Filme anschauen.
HvdH: Wie ging es seit der Einstellung des regulären Kinobetriebs weiter?
JA: Seit der Kinobetrieb 2008 eingestellt wurde, war es mir wichtig, einen Ort für Kultur zu erhalten und wir haben weiterhin Veranstaltungen organisiert. In den letzten Jahren gab es Theatervorstellungen, Performances und auch drei Filmfestivals zu Themen wie Heimat oder Wirtschaftswunder mit einem großen Gastronomiezelt auf der Wiese vor dem Kino. Auch Lesungen von Markus Rosenmüller und Marianne Sägebrecht und Dia-Vorträge von Reisenden fanden statt.
Der Schaukasten vor dem Kino. Foto: Helen von der Höden
HvdH: Was hast du aktuell dort geplant?
JA: Das nächste kulturelle Highlight steht schon bald an. Mit dem ortsansässigen Verein Kultursprung e.V. veranstalten wir ein cineastisches Wochenende. Unter dem Motto „Leben für die Kunst“ stellen die Regisseurinnen Margarethe von Trotta und Petra Seeger am 25.-26. Oktober 2025 ihre jüngsten Filme vor. Im Anschluss werden beide auf der Bühne einen Dialog über ihre Werke führen und mit dem Publikum diskutieren. Ich kümmere mich an diesem Wochenende auch um das leibliche Wohl der Gäste und biete Gastronomie an.
HvdH: Was wünschst du dir für die Zukunft?
JA: Das Kino ist so ein ungewöhnlicher Ort. Es wäre wunderbar, wenn er wieder einen festen Platz im kulturellen Leben der Region einnehmen würde. Leider ist es mir nicht möglich, dies alleine zu bewerkstelligen. Mein Wunsch ist es deshalb, einen Pächter zu finden, der Lust hat, dort Veranstaltungen mit Niveau anzubieten. Das könnten klassische Filmabende, Theater, Performance, Kunstinstallationen, Theater oder Konzerte sein. Ich freue mich über Kontaktaufnahmen, wenn sich jemand angesprochen fühlt.
Preise: 46 Euro (36 Euro ermäßigt) für die Kombivorstellung und 25 Euro (20 Euro ermäßigt) für eine Einzelvorstellung.