„Maskenball im Hochgebirge“

Der Tiroler Fotograf Lois Hechenblaikner. Foto: Monika Ziegler

Vortrag in Tegernsee

Als Übertreiber und Heimatbeschmutzer wirde er geschmäht. Aber Lois Hechenblaikner ist vor allem ein Mahner, ein Denker und nicht zuletzt ein großer Fotograf, der dokumentiert, was in seiner Tiroler Heimat unter der Flagge des Tourismus passiert.

Auf Einladung der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal zeigte der inzwischen weltbekannte Fotograf gestern Abend im Barocksaal einige seiner Werkserien. Angela Brogsitter-Fink, Vorsitzende der SGT stellte ihn als als Fotografen mit inniger Beziehung zur Heimat vor, der mit scharfem Auge und der Geduld des Jägers die touristische Gegenwart in der Tiroler Alpenwelt festhält, vor, als Frontberichtserstatter. Er komme gerade noch rechtzeitig ins Tegernseer Tal, in dem jeden Tag eine andere bauliche Katastrophe passiere, um uns den Spiegel vorzuhalten.

Das, was Lois Hechenblaikner zeigte, war in der Tat unglaublich, sein Lieblingswort, und die zahlreichen Zuschauer gingen am Ende regelrecht geplättet nach Hause. Dass es so schlimm ist, im Nachbarland, das hat man dann doch nicht geahnt, oder doch? Was der Massentourismus, von dem auch im Landkreis geträumt wird, so anrichten kann, ist nachgerade hanebüchen.

Zwei Elefanten im Eis

In der Serie Bergwerk zeigt der Kritiker Riesenparkplätze, Liftkreuzungen, einen Porsche, der auf den Berg gehievt wird. Er zeigt wie Kunstschnee per Helikopter zum Hahnenkamm gebracht wird, sechs Tage lang, und am siebten taut es. Und eine Million Liter Diesel brauchen die Pistenraupen im Ötztal. Einseitig ist er keineswegs, er erwähnt auch den verantwortungsbewussten Erbauer eines Speicherteiches.

Wenn aber Wintersportorte mit immer wilderen Events Touristen anziehen, dann wird er richtig böse. Kerosin auf dem Gletscher, in die Luft gesprengte Benzinfässer und als Höhepunkt zwei Elefanten im Eis, das sei Hochverrat am Leben, das sei eine dekadente Wohlstandsgesellschaft. Aber Hechenblaikner wettert nicht nur, sondern untermauert seine Gedanken mit denjenigen großer Denker. Da kommt Erich Fromm ebenso zu Wort wie Hans-Peter-Dürr oder Albert Schweitzer.

Rotwein in Schläuchen

Nachgerade peinlich sind die Fotos vom Innenleben von Almhütten, die ins Dorf gezerrt, eine Parodie der bäuerlichen Tradition darstellen. „Alpine Karzinome des Schwachsinns“ geißelt sie der Fotograf und zeigt Fotos von Puppen, die unter die Tracht die Strapse blicken lassen. Dafür kostet dann eine Sechsliterflasche Schampus schlappe 55 000 Euro. Schaut man aber in die Keller der Hütten, findet man eine Hightechabfüllung von Rotwein in Schläuchen, sieht aus wie auf der Intensivstation.

Dass nach der Skisaison zig Kubikmeter Ski geschredderet werden, trägt Lois Hechenblaikner ebenso genüsslich vor wie die Tatsache, dass Skiunfälle ein Millionengeschäft sind. Richtig traurig wird es, wenn der Fotograf die Akteure und Fans der Tiroler Unterhaltungsindustrie ablichtet. Hansi Hinterseer auf einer schwimmenden Kitschinsel, die Zillertaler halbnackt, ein Verlust der Ästhetik, der Scham und der Werte. „Ich will nicht blossstellen“, betonte der Fotograf, „sondern darstellen.“
Keine Gnade allerdings finden Wellnesshotels mit aufgemalten Landschaften und Kunststofffelsen. Auch nicht Erlebnis-WC’s und der Buddha mit Kuhglocke.

Hedonistische Erlebnisgesellschaft

„Hinter den Bergen“ heißt ein Buch, in dem Lois Hechenblaikner seine aktuellen Fotos denen von Wolfgang Ullrich gegenüberstellt, die etwa 50 Jahre alt sind. Dazu muss gar nichts gesagt werden. Imker mit Bienen versus Autos auf Parkplatz, einige Milchkannen versus Bierfässer en masse, Holzzaun versus Skier.

Und am Ende die hedonistische Erlebnisgesellschaft an der Piste mit Unmengen an Müll und Getränkekisten, die sich nackt und enthemmt zeigt. Ein Ventil für die Leistungsgesellschaft sei das wohl, meint der Vortragende und zitiert Albert Schweitzer, Kultur habe etwas mit Denken und Freiheit zu tun. Ganz zum Schluss wird er ironisch und endet mit Erich Kästner, der schon 1930 im Zillertal über den „Maskenball im Hochbegirge“ lästerte. „Und dann riss der Natur die Geduld.“

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