Margarethe von Trotta und Petra Seeger in Bayrischzell

Die Filmregisseurinnen Margarethe von Trotta und Petra Seeger kommen Ende Oktober nach Bayrischzell in die Peterhof-Lichtspiele. Fotos: Manfred Breuersbrock/Heimatfilm, Annette Trube

Dieser Herbst wartet mit rotem Teppich auf: Vom 25.-26. Oktober 2025 veranstaltet KulturSprung e.V. ein Cineastisches Wochenende in den Peterhof-Lichtspielen. Unter dem Motto „Leben für die Kunst“ stellen die beiden Regisseurinnen Margarethe von Trotta und Petra Seeger ihre jüngsten Filme vor.

Kino-Wochenende in Bayrischzell

Das Filmwochenende mit Margarethe von Trotta und Petra Seeger ist offenkundig ein würdiges Re-Opening für das traditionsreiche, aber brachliegende Bayrischzeller Kino „Peterhof-Lichtspiele“. Zwar hatte es dort in den letzten Jahren schon vereinzelt Veranstaltungen gegeben, aber einen richtigen Auftakt, noch dazu in solcher Größenordnung, gab es bislang noch nicht. Filmwochenende, das heißt in diesem Fall, eine Filmnacht am Samstagabend und eine Filmmatinee am Sonntagvormittag. Filmwochenende, das heißt in jedem Fall, ein volles Haus. Und das will was heißen: Der alte Kinosaal bietet Platz für fast 300 Zuschauer.

Aller Anfang ist sch…nell

Die Idee zu dem Filmwochenende in Bayrischzell entwickelte die Künstlerin Nele von Mengershausen, Gründerin des Vereins KulturSprung e.V., gemeinsam mit Micol Krause, Kulturmanagerin der HOFKULTUR am Tannerhof, im Rahmen dessen Petra Seeger bereits 2023 zu Gast war. Als Nele von Mengershausen dann Anfang dieses Jahres bei einer Lesung im Tannerhof zufällig auf die beiden Filmemacherinnen traf, brauchte es gar keine großen Überredungskünste: Margarethe von Trotta und Petra Seeger seien gleich auf Anhieb von der Idee angetan gewesen, ihre Filme im Peterhof-Kino persönlich vorzustellen, sich auf der Bühne über ihre jüngsten Werke zu unterhalten und sich den spontanen Fragen des Publikums zu stellen.


Das Team von KulturSprung e.V. (v.l.): Burkhard Niesel (1. Vorsitzender), Marica Doll (Schriftführerin), Nele von Mengershausen (Gründerin und Beirat) und Jürgen Altmann (Beirat) – nicht im Bild: Micol Krause (2. Vorsitzende) – vor den Peterhof-Lichtspielen in Bayrischzell. Foto: Suzon Laffont

Schnell war auch der Bayrischzeller Verein mit von der Partie: „Kultursprung e.V. bemüht sich ja, sich für alle Künste zu öffnen, und da wir in Bayrischzell die Ressource ‚Kino‘ haben, liegt es für uns auf der Hand, dass wir ein so großartiges Event mit all unseren Mitteln unterstützen“, bekräftigen der Künstler Burkhard Niesel, 1. Vorsitzender von KulturSprung e.V., und die Künstlerin Marica Doll, Schriftführerin des Vereins.

Wenn man Jürgen Altmann, Besitzer und Betreiber der Peterhof-Lichtspiele, nach seinen Plänen für die Wiederbelebung des Kinos fragt – seine Urgroßmutter baute im Jahr 1954 den alten Kuhstall des Peterhofs in ein Kino um – antwortet Altmann, er möchte eine moderne Plattform schaffen, die sich für viele unterschiedliche Kunstrichtungen öffne, insbesondere für die Filmkunst. Mit dem Cineastischen Wochenende soll nun das Lichtspielhaus wieder aufleben, und damit einhergehend ja vielleicht auch die Auffassung von „Kino als Kunst“ (von Mengershausen), die in Zeiten von fließbandgleicher Filmproduktion, mit der übermächtige Streamingplattformen den Markt fluten, zunehmend verloren zu gehen scheint.

Leben für die Kunst

Das Motto der Veranstaltung „Leben für die Kunst“ spielt mit den beiden Bedeutungsebenen dieser Formulierung, die sich schillernd auftun, je nachdem, ob man das Wort „Leben“ als Verb (für die Kunst zu leben) oder als Nomen (das Leben für die Kunst) begreift: Letzteres spielt im Sinne gängiger Redewendung darauf an, dass einem Kunstwerk „Leben eingehaucht“ wird, ersteres darauf, dass ein Kunstschaffender „für seine Kunst lebt“. Auf diese und ähnliche Weise sind die Begriffe der Kunst und des Lebens schon sprachlich ineinander verwoben, lange bevor man über ihre innere Verwandtschaft zu mutmaßen begonnen hat.


Nele von Mengershausen beim Interview, voller Vorfreude auf das „Cineastische Wochenende“. Foto: IH

Künstler und Künstlerinnen stünden immer in einem derart vieldeutigen und weiträumigen Spannungsfeld von Kunst und Leben, darin gerieten sie bisweilen in „richtiggehende Verstrickungen“, die es zu bewältigen und wieder aufzulösen gelte, sagt Nele von Mengershausen und spricht dabei auch aus eigener Erfahrung. Ebendieses heikle Navigieren durch das Spannungsfeld von Leben und Kunst, das sich seinerseits als Lebenskunst erweist, bildet sich auch in den bewegten Biografien Margarethe von Trottas und Petra Seegers ab, diesen zwei „Pionierinnen“ (von Mengershausen), die für ihre Kunst leben, und die es, beide auf ihre Weise, beständig zuwege bringen, der Filmkunst Leben einzuhauchen.

Zwei Reisen in die Wüste

Sie hatte bereits eine Karriere als Schauspielerin des Neuen Deutschen Films hinter sich, da gewann sie, nur wenige Jahre nach ihrem Regie-Debüt, als erste weibliche Regisseurin der Nachkriegszeit den Goldenen Löwen (1981 für DIE BLEIERNE ZEIT) und als erste Regisseurin überhaupt den Bayerischen Filmpreis (1995 für DAS VERSPRECHEN). Sie, der anfangs „so viele Steine in den Weg gelegt“ (von Trotta) wurden, ebnete quasi en passant den Weg für Generationen von weiblichen Filmschaffenden nach ihr. Über die letzten Jahrzehnte hat die Autorenfilmerin Margarethe von Trotta so unwahrscheinlich viele gute Filme gedreht, dass ihre Filmpreise inzwischen vermehrt ergänzt werden um Auszeichnungen für ihr Lebenswerk. So bekam sie im Jahr 2019 den prestigeträchtigen „Ehrenpreis für herausragende Verdienste um den deutschen Film“, der im Rahmen der Verleihung des Deutschen Filmpreises jährlich von der Deutschen Filmakademie vergeben wird.


Die Filmeregisseurin Margarethe von Trotta. Foto: Manfred Breuersbrock/Heimatfilm

Schenkt man ihren Selbstaussagen Gehör, erzählt von Trottas jüngster Film INGEBORG BACHMANN – REISE IN DIE WÜSTE (D 2023) in doppelter Hinsicht von einer Reise in die Wüste: Von der Reise in die ägyptische Wüste im Mai 1964, einer schlussendlich erquickenden, gar heilbringenden Reise, auf die sich die anfangs tief erschöpfte Dichterin (sagenhaft nuanciert gespielt von Vicky Krieps) als Begleitung des Schriftstellers Adolf Opel einlässt. Und, jener unmittelbar vorausgegangen, von der kräftezehrenden an der Seite des besitzergreifenden Max Frisch, von der vierjährigen „Gefühlsreise“ (von Trotta) durch eine regelrechte Beziehungswüste. Eine Wüste also im übertragenen Sinn, die jedoch eine nicht minder ausgebrannte Frau zurücklässt, als es ein überlanger Verbleib in der tatsächlichen Wüste zur Folge gehabt hätte: Die zermürbende Beziehung zu Frisch mündet im Selbstmordversuch Bachmanns.

Lesetipp: Rafik Schami – „Wenn du erzählst, erblüht die Wüste“

Es sei die innerlich gegenläufige Bewegung – salopp gesagt, die umgekehrte Gefühlsachterbahn – dieser beiden „Reiseetappen“ im Leben der Lyrikerin, welche die Regisseurin Margarethe von Trotta filmisch herausarbeiten wollte: Die Zeit mit Max Frisch, in wachsender Abhängigkeit von ihm, die voller Euphorie beginnt und in radikaler Resignation endet, und diejenige nach Frisch, in wiedererrungener Freiheit zu sich selbst, die von der Depression ausgeht und sich zu unverhofftem Frohsinn aufschwingt. Demnach deckt von Trottas Drehbuch auch nicht die ganze Biografie Bachmanns ab, sondern nur ebendiesen Bruchteil, die Jahre 1958-1964, in dem sich das Leben der Ingeborg Bachmann aufs Existenziellste verdichtete.

In Vaters Land

VATERSLAND (D 2020), der jüngste Film der Dokumentarfilmregisseurin Petra Seeger, die ihre Filme meist selbst produziert, als Kamerafrau und mitunter auch als Schauspielerin arbeitet, sticht aus ihrer Filmografie allein schon deshalb heraus, weil es ihr erster Spielfilm ist. Ein Spielfilm allerdings, dem weitaus weniger Fiktives als Autobiografisches zugrunde liegt. Petra Seeger, die mit ihrem Dokumentarfilm AUF DER SUCHE NACH DEM GEDÄCHTNIS (D 2009) als erste Frau in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ den Bayerischen Filmpreis gewonnen und sich überdies mit zahlreichen Filmporträts illustrer Persönlichkeiten – darunter Regisseure wie Wim Wenders und Autoren wie Cesare Pavese – einen Namen gemacht hat, gelang mit VATERSLAND nichts Geringeres als ein Fiktion gewordenes Porträt ihrer eigenen Person. Sie selbst bezeichnet den Film, zu dem sie auch das Drehbuch schrieb, als ihren „Lebens-Film“, womit zum einen etwas über seinen autobiografischen Inhalt gesagt ist, zum anderen über seine signifikante Stellung innerhalb von Seegers filmischem Oeuvre, das bis ins Jahr 1979 zurückreicht.


Die Filmregisseurin Petra Seeger. Foto: Annette Trube

In VATERSLAND wirft die Regisseurin einen feministischen Blick auf „ihre eigene Vergangenheit als heranwachsendes Mädchen in einer von Männern dominierten Nachkriegsgesellschaft“, gleichsam in einer vom Vater dominierten Familie – dies obendrein bedingt durch den frühen Tod der Mutter. „Mir war daran gelegen, einen Film zu drehen, der möglichst authentisch den Gefühlen, Erlebnissen und schmerzhaften Momenten meiner Kindheit Ausdruck verleiht.“, äußerte sich Petra Seeger zu ihrem eindringlichen Spielfilm-Debüt. Was unbestritten zur besagten Authentizität beiträgt und diesen Spielfilm dann streckenweise doch dokumentarisch anmuten lässt, sind die in den Film eingebundenen originalen Familienfotos sowie die 16mm-Aufnahmen des Vaters (beklemmend gut gespielt von Bernhard Schütz), dessen Machtposition sich im männlichen Blick durch die Kamera noch festigt und so die aufgenommene, dergestalt eingenommene, familiäre Umgebung letztgültig als ein „Vatersland“ zu besiegeln sucht.

Petra Seeger gibt in diesem autobiografischen Spielfilm so viel von sich und ihrer Lebensgeschichte preis, dass – gemäß dem damaligen Credo der Neuen Frauenbewegung, dass das Private politisch sei – ihr persönliches Schicksal unversehens Inbegriff wird für vergleichbar erschütternde, vergleichbar ermutigende Frauenschicksale.

Geplante Publikation

Damit solch ein besonderes Kulturereignis, wie es das Cineastische Wochenende zu sein verspricht, nicht in der Menge kultureller Angebote untergeht und allzu schnell in Vergessenheit gerät, nahm der Verein den Vorschlag einer befreundeten Autorin auf, nachträglich eine Begleitpublikation zur Veranstaltung herauszugeben. „Wir konnten bereits tolle Leute gewinnen für die Publikation!“, begeistert sich Nele von Mengershausen. So zum Beispiel den Fotografen Florian Bachmeier, Gewinner des diesjährigen World Press Photo Award in der Kategorie „Europe Singles“. Dessen Bildband „In Limbo. Ukraine 2013-2021“ war 2023/24 mit der Silbermedaille des Deutschen Fotobuchpreises in der Kategorie „Künstlerische Fotografie“ ausgezeichnet worden.


Der Fotograf Florian Bachmeier vor der Verleihung des World Press Photo Award 2025 in Amsterdam. Foto: Federico Rios

Für die Textpassagen der Publikation, die keine bloße Berichterstattung, sondern ein „schönes Stück Literatur“ werden sollen, wurde eine Schriftstellerin aus der Region angefragt. Das Layout wird Kathrin König übernehmen, die sich unter anderem für das Gestaltungskonzept der bundesweiten „Langen Nacht der Demokratie“ seit 2019 verantwortlich zeichnet. Nele von Mengershausen resümiert zufrieden: „Es gibt viel zu tun, aber gleichzeitig auch so viele schöne Zufälle, die einander zuspielen… Die ganze Vorbereitung ist ein sehr inspirierender Prozess!“

Da fragt man sich doch unwillkürlich, wie inspirierend erst die Veranstaltung sein wird, bei welcher der generöse Zufall es so wollte, dass Margarethe von Trotta und Petra Seeger in einem alten Dorfkino in Oberbayern aufeinandertreffen, um uns mit ihrer Anwesenheit und ihren Filmen zu beehren.

Reservierungsanfragen für das Cineastische Wochenende am 25. und 26. Oktober 2025 sowie Voranmeldungen für den Erwerb der Begleitpublikation (limitierte Edition) ab jetzt möglich unter cine@kultursprung.org. Der offizielle Vorverkauf beginnt voraussichtlich im September, weiteres wird auf der Webseite oder dem Instagram-Kanal von KulturSprung e.V. zu gegebener Zeit bekanntgegeben.

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