
Kunst und Literatur im Gespräch
Maria Buck, Bernhard Setzwein, Arwed Vogel und Julia Eichler. Foto: MZ
Lesung in Miesbach
Zu einer spartenübergreifenden Begegnung mit reichlich Austausch geriet die Lesung von Bernhard Setzwein im Mobilen Atelier von Julia Eichler im Waitzinger Park in Miesbach. Die beiden Kulturschaffenden ließen Einblick in ihre Schaffensprozesse nehmen.
Viel Platz ist nicht im Mobilen Atelier, aber er reichte für einen intensiven Abend, zu dem die Projektleiterin des Mobilen Ateliers vom BBK Bayern Maria Buck gemeinsam mit Arwed Vogel, Vorsitzender des Schriftstellerverbandes Bayern eingeladen hatten. Der interdisziplinäre Austausch, so Maria Buck, sei gewollt, würde aber nicht gemacht.
Es gehe um die Begegnung zwischen Künstlerin und Autor und den Austausch über Entstehungsprozesse ihrer Werke, erklärte Arwed Vogel. In der Ständigen Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern sk3 würden die Verbände zusammenarbeiten und versuchen die freie Kunstszene zu bereichern.

Bernhard Setzwein und Arwed Vogel. Foto: MZ
Am heutigen Abend werde man versuchen etwas zu machen, was ungewöhnlich und so noch nicht gemacht worden sei. Die Begegnung zwischen einer Bildhauerin und einem Schriftsteller sei nicht selbstverständlich.

Zeichnungen der Wokshopteilnehmerinnen zum Thema Essen. Foto: MZ
Vorausgegangen war die Arbeit der Hallenser Bildhauerin Julia Eichler im Mobilen Atelier, sowohl ihre eigene künstlerische Arbeit in Miesbach als auch die Workshops, die sie mit Teilnehmerinnen zum Thema „Essen“ durchführte. An der Wand hingen die ersten automatischen Zeichnungen, auf dem Tisch die daraus entstandenen Objekte aus Pappmaché.

Plastiken zum Thema Essen. Foto: MZ
Zu diesem Alltagsthema passte die Lesung von Bernhard Setzwein. Der renommierte Autor las aus seinem Tagebuch- und Notatenprojekt „Das blaue Tagwerk“ und „Das gelbe Tagwerk“. Er möge den Begriff Tagebuch eigentlich nicht, denn es handle sich um Alltagseindrücke, Träume, Beobachtungen, sagte Bernhard Setzwein, die er mit dem ausdrücklichen Plan der Publikation geschrieben habe.

Das gelbe Tagwerk. Foto: MZ
Bernhard Setzwein wurde 1960 in München geboren und lebt heute in Waldmünchen an der bayerisch-böhmischen Grenze. Er ist Autor von Romanen, Lyrik, Tagebüchern und Reisefeuilletons. Daneben hat er rund ein Dutzend Theaterstücke geschrieben. Seit 40 Jahren schreibt er Radiofeatures für den Bayerischen Rundfunk.
Er las mehrere Miniaturen, manche nur aus wenigen Sätzen bestehend, andere etwas länger, alle jedoch in geschliffener Sprache, oft mit humorvollem Hintergrund. Etwa die Geschichte aus dem Landleben, wo sich Jugendliche auf dem Parkplatz in Autos treffen, Fahrerseite einander zugewandt, „wie unterleibslose Zentauren“.

Bei der Lesung. Foto: MZ
Schön auch die Geschichte vom Gleichnis der Überlandbusse mit Fahrten zur Hölle, die dann in Magdeburg Realität wurde. Einen ganzen Tag lang fuhr dort ein Verstorbener unerkannt im Bus. Auch Erinnerungen an die eigene Kindheit werden wach, als eines Tages zwei Buben um ein Buch für die Mama vorsprechen, selbst aber mit Büchern nichts am Hut haben. „Ein Straßenhund wurde Schriftsteller, ein Moment der Epiphanie.“
Bernhard Setzwein schreibt über Hornissen, Spechte und Igel die durch übertriebene Fürsorge ausgerottet werden, ebenso wie über die Aufgabe der Poesie, die das verknöcherte All wieder flüssig machen soll, was immer das heißen mag.

Julia Eichler im Gespräch. Foto: MZ
Im anschließenden Gespräch ging es zumeist über den Entstehungsprozess eines Werkes. „Ich muss sitzen bleiben“, verriet Bernhard Setzwein, auch stundenlang, wenn ihm gar nichts einfalle. Julia Eichler wiederum geht einer anderen Tätigkeit nach, wenn die Inspiration fehlt. „Bei mir entsteht beim Wandern gar nichts“, gesteht der Schriftsteller, der Schreibtisch sei seine Werkbank, nur dort könne er schreiben. Und er feile an jedem Satz. „Satz für Satz setzen ist etwas Herrliches“, sagt er. Und er erzählt auch, dass er bei einem Romananfang noch nie wisse, wie es ausgehe.
Julia Eichler findet eine Gemeinsamkeit von Bildhauer und Schriftsteller: „Schreiben ist wie Aufbauen eines Werkes, da nimmt man hier etwas weg und fügt dort etwas hinzu. Im Gegensatz zur Plastik aber haue der Skulpteur etwas aus dem Material heraus.
Beide tauschten sich intensiv über Auftragsarbeiten und ob man von der Kunst leben könne, aus. Im unteren zweistelligen Bereich bewegen sich der Anteil sowohl bildende Künstler als auch Autoren, die von der freien Arbeit leben können.
Ein inspirierender Abend, der in die Alltagsarbeit von Kulturschaffenden Einblick gewährte und auch Defizite der Kulturpolitik offenlegt.
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