Indianerkostüm als kulturelle Aneignung

Kulturelle Aneignung oder: Verkleideter Rassismus

Kultur als Kostüm? Foto: pixabay (Ausschnitt)

Kolumne zu „Internationale Wochen gegen Rassismus“

Dieses Jahr ist vieles anders. So zogen auch die Sternsinger nicht von Haus zu Haus und Fasching lief ohne große Umzüge und Sitzungen ab. Dennoch kam das Thema Verkleidungen in meinem Umfeld auf und, im Zusammenhang damit, die Problematik der Kulturellen Aneignung.

Ein paar Dinge vorweg

1. „Schwarz“ wird in diesem Artikel groß geschrieben, da sich das Wort nicht auf die Hautfarbe, sondern auf eine gemeinsame Rassismuserfahrung bezieht. Weiß schreibe ich kursiv. 2. Ich selbst bin eine weiße Frau und damit nicht von rassistischer Diskriminierung betroffen. Alles, was ich in diesem Artikel beschreibe, beruht auf Informationen, die ich mir durch Bücher oder Podcasts von Betroffenen eingeholt habe. Welche Quellen ich dazu genutzt habe und empfehlen kann, erwähne ich am Ende des Artikels. Und zu guter Letzt: 3. Bitte nehmen Sie sich die Zeit, den Artikel bis zum Ende zu lesen und meinen Ausführungen zu folgen. Rassismus ist ein wichtiges Thema, bei dem viele weiße Menschen dazu neigen, sich nicht damit auseinandersetzen zu wollen, oder sich schnell persönlich angegriffen zu fühlen. Es ist nicht meine Absicht, irgendjemanden anzugreifen oder zu verletzen. Sollten Sie dennoch das Gefühl haben, ich stelle etwas unzureichend dar, bin ich für konstruktive Kritik offen.

Kulturelle Aneignung

Per Definition ist Kulturelle Aneignung das Reproduzieren oder die Übernahme von Elementen einer anderen Kultur. Das ist in unserer globalisierten Welt zunächst normal und unvermeidbar, ein Teil des Austausches sozusagen. Problematisch wird es erst, wenn bestimmte kulturelle Elemente übernommen werden, ohne deren Geschichte zu kennen und ohne dieser respekt- und rücksichtsvoll zu begegnen. Das geschieht, weil oftmals Mitglieder einer dominanten Kultur Elemente einer sozial, politisch oder wirtschaftlich benachteiligten Kultur adaptieren und sie dabei aus dem Kontext reißen.

Ehemals Cornrows, jetzt „Boxer Braids“

Um das besser zu veranschaulichen, hier ein Beispiel: Die Schwarzen Sklavinnen flochten sich früher gegenseitig Cornrows. Diese fungierten als eine Art Landkarte und zeigten den anderen Sklavinnen, wie sie aus der Gefangenschaft fliehen konnten. Solche Frisuren tragen immer noch viele Schwarze Frauen. Doch nicht nur die, denn dank Kim Kardashian ist vielen diese Frisur auch als „Boxer Braids“ bekannt. Die US-amerikanische Influencerin übernahm also ein Element einer Kultur – in diesem Fall die Cornrows – und passte es an die weiße Welt an. Sie gab der Frisur einen neuen Namen und verkaufte diese als ihre eigene. Ob sie sich davor wohl mit der Geschichte der Zöpfe befasst hat? Wohl kaum. Und wenn, wäre es wohl mehr als respektlos und ignorant, sie trotzdem als „Boxer Braids“ ihren Followern zu präsentieren.

Frisur der schwarzen Sklavinnen

Cornrows. Foto: pixabay

Dashikis als modische Accecoires

Ein weiteres Beispiel: Dashikis. Das sind Kleidungsstücke, die in der afroamerikanischen Community für die Hürden und Probleme stehen, denen diese Leute in den USA begegneten und immer noch begegnen. Doch mittlerweile tragen nicht nur Schwarze Menschen Dashikis, sie sind auch in der weißen Welt angekommen und als „modisches Accessoire“ sehr beliebt.

Kommerzialisierung einer fremden Kultur

Bei oben genannten Beispielen sind die Adaption der Kultur und das Übernehmen eines Elementes, ohne sich dessen Bedeutung bewusst zu sein, nicht das einzige Problem. Was noch hinzu kommt ist, dass Menschen Geld mit dieser fremden Kultur verdienen. Wenn Kim Kardashian ihre „Boxer Braids“ auf Instagram postet, auf Amazon Dashikis verkauft werden, von weißen Models präsentiert, und Elvis Presley Schwarze Musik in den weißen Mainstream trägt, müssen sie keine Angst haben, dafür diskriminiert zu werden. Profit schlagen können sie trotzdem aus der Schwarzen Kultur. Ich denke, ich muss nicht erklären, weshalb Betroffene das nicht nur verletzt, sondern auch wütend macht.

Lesetipp: Internationale Wochen gegen Rassismus

Verkleidungen

Ich habe am Anfang des Artikels von Verkleidungen gesprochen. Dabei geht es zum Beispiel um das berühmte „Indianderkostüm“, das sicherlich viele schon einmal getragen haben. Wahrscheinlich hatten die wenigsten dabei schlechte Absichten, doch um Absichten geht es hierbei nicht. Vielmehr sollte man sich fragen, wie viel man eigentlich weiß über die Kultur, die man da gerade verkörpert, und von wem man das weiß. Denn Karl May, der Erfinder von Winnetou, war kein Indigener. Und ebenso wenig André Jobin, der uns Yakaris Welt näher brachte. Diese Vorstellung der Ureinwohner Amerikas ist ebenso verzerrt wie romantisiert. Vor allem aber lässt sie die Verbrechen der Kolonialisten und den Genozid, der an den Native Americans vollzogen wurde, völlig außer Acht. Stattdessen wird impliziert, man könne mit Federn am Hinterkopf und „Indianergeheul“ eine Kultur zu einem Kostüm herabsetzen.

Die Sache mit dem Blackfacing

Ich habe am Anfang auch von den Sternsingern geschrieben. Denn ja, auch die passen in dieses Thema. Obwohl es nicht direkt um Kulturelle Aneignung, sondern Blackfacing geht. Das bedeutet, dass sich weiße Menschen das Gesicht als Verkleidung schwarz anmalen. So wie das viele Kinder machen, die bei dem Sternsinger-Trio den Caspar verkörpern. „Aber damit zeigen wir doch, dass wir inklusiv sind“, heißt es dann als Gegenargument. Oder: „Da ist doch nichts dabei!“ Spoiler: Doch!
Das Problem ist, dass weiße Menschen sich für einen Tag das Gesicht dunkel anmalen, um eine Schwarze Person zu verkörpern, ohne jedoch dieselbe Diskriminierung zu erfahren. Blackfacing suggeriert, man könne das Schwarzsein einfach ablegen, wie eine Maske, wenn einem nicht mehr danach ist. Zudem hat Blackfacing eine rassistische Geschichte. So verkörperten im 18. und 19. Jahrhundert weiße Menschen mit schwarz angemalten Gesichtern in sogenannten Minstrel Shows in den USA Schwarze Menschen. Diese wurden dabei als dumm, naiv und tollpatschig dargestellt.

Und andersherum?

„Aber es gibt doch auch Schwarze, die sich die Haut bleachen oder die Haare glätten. Ist das nicht auch Kulturelle Aneignung?“, fragen sich jetzt vielleicht einige. Doch genauso wenig wie es Rassismus gegenüber Weißen gibt, gibt es problematische Kulturelle Aneignung gegenüber Weißen. Denn wenn eine Schwarze Person versucht, sich an die westlichen, weißen Standards anzupassen, tut sie das nicht aus einer Machtposition heraus, sondern, um nicht diskriminiert zu werden. So gibt es beispielsweise weltweit immer noch Arbeitgeber und Schulen, die traditionell Schwarze Frisuren verbieten und Afrohaare als „wild“ oder ungepflegt stigmatisieren. Der Trend beginnt sich langsam zu wenden und immer mehr Schwarze Frauen tragen ihre Haare mit Stolz, doch wir sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten.

Kulturelle Anerkennung statt Kultureller Aneignung

Was ist jetzt also die Konsequenz? Keine Boxer Braids mehr? Keine Dashikis, keine Musik von Elvis, keine „Indianerkostüme“, kein Yakari und keine angemalten Sternsinger?

„Was darf man denn überhaupt noch?“ Nun, rassistisch sein durfte man noch nie. Und ja, all die oben genannten Dinge sind rassistisch und ich würde sie weglassen. „Kulturelle Anerkennung“, heißt das Zauberwort.

Kulturelle Anerkennung bedeutet, sich wertschätzend und umfassend mit einer anderen Kultur auseinanderzusetzen. Auf dieser Basis kann dann jeder und jede selbst entscheiden, ob er oder sie sich ein „Indianerkostüm“ kaufen oder vielleicht doch lieber als etwas Originelleres verkleiden möchte. Und übrigens: Auch für Yakari gibt es Alternativen! Die Kinderserie „Molly of Denali“ (2019) setzt sich beispielsweise differenziert mit der Geschichte der Native Americans auseinander.

Ein neues Bewusstsein schaffen

Wie eingangs erwähnt, bin ich selbst weiß und keinesfalls frei von Fehlern. Auch ich setze mich erst seit einem guten Jahr mit Rassismus auseinander und erlebe einen „Aha“-Effekt nach dem anderen. Das heißt, ich lerne immer noch und bin keine Expertin auf diesem Gebiet. Dieser Artikel soll ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Rassismus vielfältig ist und eben nicht immer offensichtlich. Rassismus fängt nicht erst an, wenn weiße Polizisten in den USA Schwarze Menschen umbringen.

Rassismus gibt es auch hier in Deutschland und er ist nicht immer gewollt und bewusst. Falls Sie sich jetzt mehr mit dem Thema auseinandersetzen wollen, kann ich Ihnen das Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ von Alice Hasters ans Herz legen.

Alice Hasters und Maximiliane Haecke

Die Macherinnen von „Feuer und Brot“ Alice und Maxi. Foto: feuerundbrot.de

Die Journalistin und Buchautorin betreibt außerdem mit Maximiliane Häcke den Podcast „Feuer & Brot“, dessen Episode 33 das Thema Kulturelle Aneignung behandelt. Auch die Podcastfolge vom 20. Februar vom „LOU- Podcast“ ist sehr empfehlenswert. Dabei redet Louisa Dellert mit Natasha A. Kelly über Kulturelle Aneignung. Und zu guter Letzt empfehle ich zum Thema Rassismus das Buch „exitRacism“ von Tupoka Ogette.

Weiterführende Links und Informationen:
Die Kampagne „We’re a Culture, Not a Costume“ aus dem Jahr 2011 beschäftigt sich mit dem Thema „Verkleidungen“.
Die Website von Amnesty International widmet sich unter anderem ausführlich dem Thema Diskriminierungssensible Sprache.

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