Strukturen

Evelin Hermenau spürt Strukturen auf

Evelin Hermenau mit dem freundlichen Punker. Foto: MZ

Ausstellung in Holzkirchen

„visions of life“ nennt Evelin Hermenau ihre aktuelle Ausstellung in der Galerie im Autopavillon Steingraber. Sie will damit einen Blick auf das Leben werfen, das Leben, das eins gemeinsam hat: Strukturen.

„Strukturen“, so sagt die Holzkirchner Künstlerin, „umgeben uns überall.“ Angefangen von der Zelle hin zu den Organen, zur Wirbelsäule und den Hirnstrukturen sind sie ein grundlegendes Format des Lebens. Aber auch im sozialen, gesellschaftlichen und politischen Bereich geben Strukturen Halt und Orientierung.

Ambivalenz von Strukturen

Sie können aber andererseits auch beengend und freiheitsberaubend sein. Mit ihrer Arbeit will Evelin Hermenau vorhandene Strukturen nutzen, Grenzen ausloten und Möglichkeiten austesten, diese Ambivalenz zwischen Stützen und Beengen darzustellen und Betrachtende zu eigenen Interpretationen zu inspirieren.

Strukturen
„landschaftlich“. Foto: MZ

Sie beginnt ihre Ausstellung auf der linken Seite mit Landschaften, ähnlich wie sie sie früher gezeichnet hat. Jetzt aber experimentiert sie mit neuen Materialien, indem sie auf die Zeichnung Seidenpapier und Epoxidharz aufbringt und damit neue Variationen von den Ansichten in der Natur anbietet.

Generell sind die neuen Arbeiten kreative Experimente mit ungewöhnlichen Materialien. Insbesondere ist es Epoxidharz, das den Werken Glanz und Leuchtkraft verleiht.

Epoxidharz festigt

Hervorgegangen ist diese Arbeitsweise aus früheren Arbeiten, bei denen sie dreidimensionale Landschaften formte und Schnee und Eis durch Epoxidharz darstellte. Jetzt sind es Wolkenformationen, die sie aus dem Material im Verbund mit Seidenpapier und Acrylfarbe geschaffen hat.

Lesetipp: Evelin Hermenau: Bewusstsein für Form

Strukturen
„to go“. Foto: MZ

„to go“ nennt sie drei Upcycling-Arbeiten, bei denen sie Kaffeebecher aufgeschnitten hat und auf Büttenpapier mit Acrylfarbe komponierte. Sehr kleinteilig und sorgfältig hat sie herausgefallene Epoxidharzpunkte in einer „stillen Ordnung“ zusammengefügt.

Zweckentfremdeter Hasendraht mit hexagonaler Struktur ist das Grundmaterial für zahlreiche Arbeiten. Manchmal legt Evelin Hermenau Schichten übereinander, manchmal beraubt sie dem Gitter die ursprünglich hexagonale Struktur und verformt es zu neuen Strukturen. Sie färbt die Gitter ein und fügt Montageschaum hinzu.


„doppelt“, „leicht“, „teilweise unerforscht“ und o.T. Foto: MZ

Dieses Material, so erzählt sie, habe einen eigenen Willen, dem sie sich als Künstlerin unterordnen müsse. Sie gehe immer mit einer Idee ans Werk, aber im Prozess entstünden wieder neue Ideen, indem sie sich dem Material anpasse. So entwickle der Montageschaum Lufteinschlüsse, die sie dann freilegen könne, wobei neue Strukturen entstehen.


„Engel mit Haarspange“, „Engel mit blauem Kragen“, „vulkanös“. Foto: MZ

Eine solche Arbeit nennt sie „vulkanös“, mir drängt sich die Assoziation zu Verletzungen auf.

Bei einer Arbeitstechnik spritzt die Künstlerin Montageschaum in eine Kiste und ergänzt mit anderen Materialien, wie Seidenpapier und Pappe und schneidet dann Segmente heraus, die sie mit Epoxidharz, Acrylfarbe und anderem überzieht und fixiert.


„üppig“. Foto: MZ

Immer wieder ist es die Kombination verschiedener Materialien, die neue Möglichkeiten der Gestaltung erlaubt. Die Arbeiten haben zwar oft Titel, aber der Betrachter darf durchaus auch seine eigenen Interpretationen zulassen.

Evelin Hermenau hat ganz rechts eine besondere Gruppe von Arbeiten platziert, die sie „Hollywood“ nennt. Fliegengitter sind es, die sie zu Formen wie Roben drehte und gestaltete und die wirkungsvolle Spannungen zeigen.

Obstnetz und Geschenkband

Ein „freundlicher Punker“ hängt über einigen dreidimensionalen Werken. Mir gefällt vor allem der Titel „schöner hohler liegengebliebener Gedanke“, eine kleine Arbeit, in der Evelin Hermenau ein Obstnetz künstlerischer Gestaltung zuführte.

Dies tat sie auch mit Geschenkband und Verpackungsmaterial in den fünf Arbeiten im Erdgeschoss. Aber nur Upcycling wäre zu kurz gegriffen bei diesen in den vergangenen zwei Jahren entstandenen Arbeiten von Evelin Hermenau. Sie sind das Ergebnis vieler kreativer Ideen ebenso wie der Experimentierfreudigkeit mit ungewohnten Materialien.


„gefangenes Herz“ und „blaues Flimmern“. Foto: MZ

Die Werke laden ein, sich auf sie einzulassen, sie aufmerksam zu betrachten und mit anderen darüber zu diskutieren. Und so zitiert auch Evelin Hermenau den Sinn von Kunst mit Klaus Staeck, ehemaliger Präsident der Akademie der Künste in Berlin: „Kunst kann Demokratie fördern.“ Man betrachte und diskutiere Kunst ohne ernsthafte Folgen.

Die Ausstellung von Evelin Hermenau „visions of life“ in der Galerie im Autopavillon Steingraber in der Robert-Bosch-Straße 1 in Holzkirchen ist noch bis zum 7. Januar 2023 montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet.

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