Das Wunder von Mals
Vom Reschenpass kommend, bietet sich dieser Blick auf Mals. Foto: Pera Kurbjuhn
Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Eine „Anleitung zum Widerstand“ nennt Alexander Schiebel sein Buch, das jetzt im Oekom Verlag erschien. Es beschreibt, wie ein Südtiroler Dorf mit einem engagierten Bürgermeister der Agrarindustrie die Stirn bietet und trotz Widerständen weitermacht. Nächsten Dienstag ist der Autor in Miesbach.
Der österreichische Filmemacher Alexander Schiebel hat ein sehr persönliches Buch geschrieben. Er erzählt Geschichten von Menschen und wie er selbst von diesen Geschichten beeinflusst wurde. So sehr, dass er jetzt selbst in Mals lebt, so sehr, dass er aufgrund seiner Stellungnahme keine lukrativen Angebote vom Südtiroler Tourismusverband mehr erhält und schauen muss, wie er seinen Lebensunterhalt verdient.
Weil das Buch so persönlich ist, der Leser die Malser Aktivisten alle genau kennenlernt, berührt das Buch auch so sehr. Es ist in der Tat ein Aufruf. Was diese paar Dutzend mutige Menschen geschafft haben, das muss doch woanders auch gehen. Das denkt sich hoffentlich jeder, der das Buch gelesen hat.
Ortsschild von Mals. Foto: Petra Kurbjuhn
Worum geht es? Darum, dass die Welt in Mals im oberen Vinschgau bis zum Jahre 2010 in Ordnung war. Das erzählt Biobauer Günther Wallnöfer dem Journalisten Schiebel. Dann aber habe es begonnen mit den Apfelplantagen und mit dem Spritzen von Pestiziden. Neben seinen Feldern. Er habe das Heu untersuchen lassen. „Die Ergebnisse waren schockierend.“
Schiebel plant einen Dokumentarfilm über Mals und spricht mit allen im Dorf, die sich gegen den Einsatz von Pestiziden stark gemacht haben. Die Friseurin ebenso wie der Tierarzt, der Apotheker ebenso wie die Kindergärtnerin. Und natürlich Bürgermeister Uli Veith, die zentrale Stütze des Widerstands.
76 Prozent gegen Pestizide
Der erzählt, dass man zunächst versucht habe, über einen runden Tisch mit den Obstbauern das Thema anzusprechen, aber man habe sie verlacht. Und dann kam die Bevölkerung von Mals zu ihrem Recht, sie dufte in einer Volksabstimmung entscheiden, wie sie künftig leben will. Ergebnis: 76 Prozent entschieden sich für eine pestizidfreie Gemeinde.
Und damit begannen die Probleme, denn die kleine 5000-Seelen-Gemeinde hatte von da an die Regierung von Südtirol ebenso gegen sich wie den Bauernbund und die Agrarindustrie. Man versuchte mit allen Mitteln, diese Volksabstimmung für ungültig zu erklären. Alexander Schiebel wird jetzt vom Journalisten zum Aktivisten: Über einen Facebook-Kanal geht er an die Öffentlichkeit und zeigt alles, was sich die Gegner von Mals ausdenken. Es wird ein langer, zermürbender und zäher Kampf.
Apfelplantagen im Unteren Vinschgau. Foto: Petra Kurbjuhn
Und dann kommt Unterstützung aus Bayern, genau gesagt, aus Holzkirchen. Karl Bär, der für die Grünen für den Bundestag kandidierte und am Münchner Umweltinstitut tätig ist, kommt nach Mals. Mit seiner Unterstützung wird eine Mitmachaktion ins Leben gerufen, Bayerische Bürger sollen dem Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher Mails schreiben mit dem Inhalt: „Wir wollen im Urlaub nicht vergiftet werden“ und „Der Weg von Mals ist richtig.“ Nachdem der Politiker 14 000 Mails erhielt, antwortete er, indem er abwiegelte.
Nachdem ich das Buch gelesen hatte, wollte ich mir selbst ein Bild machen. Mit Fotografin Petra Kurbjuhn fuhren wir über den Reschenpass, genauso wie Alexander Schiebel sein Buch beginnt. Kommt man hinunter nach Mals, öffnet sich eine facettenreiche, vielgestaltige offene Landschaft.
Buchcover „Das Wunder von Mals“ von Alexander Schiebel. Foto: Oekom Verlag
Das ändert sich abrupt, wenn man weiter Richtung Meran fährt. Es beginnt in Schluderns und geht weiter über Schlanders und Naturns, das gesamte Vischgau entlang. Alles voller Apfelplantagen, genauso wie es Schiebel beschreibt, Betonpfeiler an Betonpfeiler, schwarze Hagelnetze. Jetzt ist es Herbst, der Großteil der Ernte eingefahren, die dieses Jahr wohl wegen der Witterungsverhältnisse nicht sehr reichhaltig war. Wenn ich mir vorstelle, dass hier 15mal pro Jahr Pestizide gespritzt werden, dann wundert es mich nicht mehr, dass an unserer Windschutzscheibe nicht eine Insektenleiche klebt.
Ich frage unseren Hotelbesitzer im unteren Vinschgau, wie er zu den Aktivitäten in Mals steht. „Wenn es hier ein Referendum gäbe, würden 70 Prozent der Bevölkerung gegen Pestzide stimmen“, ist er überzeugt. Man rede viel über das, was die Malser Bürger vorgemacht haben. Andererseits gehe es im Obstbau nicht ohne Chemie, denn die Kunden wollten ja makelloses Obst kaufen.