
Der Zauber des Berges
„Der Zauber des Berges“ und „Der Zauberberg“. Foto: MZ
Buchtipp von KulturVision
Mit ihrem Roman „Zauber des Berges“ erzählt Daniela Holsboer die Geschichte des Urgroßvaters ihres Mannes Florian und damit die Geschichte, die vor dem „Zauberberg“ von Thomas Mann wirklich stattfand, ergänzt durch „wundersame Fiktion“.
„Die Ankunft“, so beginnen beide Romane. Im Mannschen „Zauberberg“ kommt Hans Castorp mit der Rhätischen Bahn 1907 in Davos an, wo er von seinem lungenkranken Vetter Joachim in Empfang genommen wird. Drei Wochen will er bleiben, es werden sieben Jahre, die der Schriftsteller in seinem vor 100 Jahren veröffentlichten, tausend Seiten umfassenden Roman beschreibt.
Willem Holsboer kommt ihm Jahr 1867, also vierzig Jahre vorher mit seiner an Tuberkulose erkrankten Frau Maggie in Davos an, mit der Pferdekutsche. Mehr tot als lebendig ist die Zwanzigjährige und der Holländer schwört, dass er eine Bahn herauf bauen wird, um den Kranken, die hier oben in 1600 Meter Höhe auf Genesung hoffen, die Anfahrt zu erleichtern.
Liebe und Sehnsucht
Damit beginnt eine Geschichte, die von Liebe, Sehnsucht, Wille geprägt ist und die es sich lohnt zu lesen. Aus vielen Gründen. Zum einen beschreibt Daniela Holsboer die wahren Hintergründe der Entwicklung eines Bergdorfes zu einem mondänen Kurort mit exklusiven Sanatorien und einem breiten Angebot an Veranstaltungen, denn Willem Jan Holsboer ist der festen Überzeugung, dass zur Heilung nicht nur das Bergklima, sondern auch Lebensfreude beitragen.
Mit dem Arzt Alexander Spengler hat er einen Freund getroffen, mit dem er nach dem Tod seiner geliebten Frau Maggie Davos mit eisernem Willen umgestaltet. Sein wichtigster Antrieb ist dabei die Liebe. „Die Geschichte soll Hoffnung geben“, sagt Daniela Holsboer. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin stellte ihren Erstlingsroman kürzlich in der Holzkirchner Bücherecke vor.
Liebe, die den Tod überdauert, Sehnsucht nach dem Magischen, das ist der zweite Grund, der den Roman spannend macht. „Wir haben den Zugang zu dem Magischen verloren“, bedauert die Autorin, die dem Roman voranstellt: „Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten und dem magischen Rest. Spirits always organize.“
Daniela Holsboer. Foto: Matthias Remmling
So lässt Daniela Holsboer den Geist in ihrem Roman wirken und beschreibt auch die Magie, die von okkulten Praktiken ausgeht. Etwa, als der Erfinder von Sherlock Holmes, Arthur Conan Doyle, dessen Aufenthalt in Davos ebenso belegt ist wie seine Neigung zu Parapsychologie, Willem Holsboer zu einer Seance einlädt.
Die Autorin erzählt, dass sie im Familienarchiv ihres Mannes auch Belege dafür gefunden habe, dass ein Enkel von Willem parapsychologische Artikel veröffentlichte.
Spiritismus und Seancen
Spiritismus ist auch ein Thema bei Thomas Mann. Hans Castorp nimmt im „Zauberberg“ an einer Seance teil. So ist der dritte Grund, „Zauber des Berges“ zu lesen, die Verbindung zu Manns Roman. 100 Jahre nach dem Erscheinen des „Zauberbergs und zum 150. Geburtstag sowie 70. Todestag des Autors hat Daniela Holsboer mit ihrem Roman eine Brücke errichtet.
Vielleicht solle man im Winter einmal wieder in das Buch hineinlesen, sagt die aus Holzkirchen stammende Autorin, sie aber habe ein emotionaleres Buch als den sehr intellektuellen „Zauberberg“ schreiben wollen, das dazu einlädt, in die Ambivalenz der Bergwelt einzutauchen, die gleichzeitig angsteinflößend und erhaben sei.
Die Schatzalp
Die Angst spielt in Davos eine große Rolle. Sowohl im „Zauberberg“ als auch in „Der Zauber des Berges“ wird gestorben, denn die Tuberkulose widersteht immer wieder dem Bergklima. Auch nach Robert Kochs Entdeckung der Tuberkelbazillen und der Entwicklung eines Medikaments, das helfen soll, bleibt die Krankheit eine Geißel.
Auch Thomas Manns Frau Katja war in Davos zur Kur, er besuchte sie und schrieb zunächst eine Kurzgeschichte, aus der der tausendseitige Roman wurde. Das einzige Sanatorium, das er namentlich erwähnt, ist die Schatzalp.
Und genau dieses hoch über Davos gelegene Luxussanatorium plante Willem Holsboer. Es war sein letztes Werk, das er in Liebe für seine erste Frau Maggie bauen wollte, nachdem er dort oben am Berg einen Fieberanfall erlitt, in dem ihm seine Maggie erschien. Die Eröffnung der Schatzalp durfte er nicht mehr erleben, Willem Holsboer starb vorher. Auch im „Zauberberg“ erlebt Hans Castorp im Schneesturm sehr nebulöse Dinge.
Sexuelle Komponente
Diese Analogie habe sie auch in einer anderen Szene ihres Romans ausgebaut, berichtet Daniela Holsboer. Am Ende des Romans soll sich Willem an der Riviera erholen und trifft auf Marguerite, die eine seltsame Liebe zu einem Pferd entwickelt. Sie habe dieses Tier als Fiktion eingeführt, um die starke sexuelle Komponente ihres Protagonisten, der für viele Arten von Zuneigung offen gewesen sei, zu zeigen. Auch hier eine Verbindung zu Thomas Mann. Willem heiratete sehr bald nach dem Tod von Maggie Ursula, die ihm sieben Kinder schenkte.
Eins davon, Florian, sei der Großvater ihres Mannes, sagt die Autorin. Und als er ihr die Geschichte seines Urgroßvaters erzählt habe, habe sie sich ihn verliebt.
Zum Weiterlesen: „Der Tegernsee lebt noch in mir“