Glamour & Licht

„Glamour & Licht“

Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer (r.) begrüßte zum Künstlergespräch. Foto: Judith Weber

Künstlergespräch beim Schlierseer Kulturherbst

Das Publikum hatte inmitten der Skulpturenpaare von Andreas Kuhnlein Platz genommen mit Blick auf die großen Fotografien von Hans-Günther Kaufmann. Zum Schlierseer Kulturherbst fand ein Gespräch der beiden Künstler statt, in dem sie ihre Sicht zum Thema „Glamour & Licht“ mit sehr persönlichen Beiträgen darlegten und mit den Gästen ins Gespräch kamen.

Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer betonte in seiner Begrüßung, wie wichtig Kultur in unserer Zeit sei. Im Gespräch mit den Kulturschaffenden zu ihren Werken gewinne man tiefe Einsichten und könne sein Blickfeld erweitern.

Moderatorin Monika Ziegler ging zunächst auf den Titel der gemeinsamen Ausstellung „Schein und Sein“ der beiden Künstler ein und fragte Hans-Günther Kaufmann: „Du hast in deiner Jugend in der Scheinwelt mit schönen Frauen, Filmstars wie Tony Curtis, Pierre Brice und natürlich Schwester Christine verbracht, wie hier anhand der Fotos zu sehen ist. Das hast du doch auch genossen?“

Glamour & Licht
Tony Curtis. Repro: Petra Kurbjuhn

Natürlich habe er das genossen, wer würde es nicht schön finden, mit 21 Jahren den ersten Jaguar zu fahren, lächelte der renommierte Fotograf. Dieses Leben „mit Traumfrauen auf Trauminseln Träume zu fotografieren“, etwa Bademoden in der Karibik, das sei für ihn jahrelang seine Welt gewesen. Bis ein Bruch kam.

Wie lange will ich das hier noch machen, hatte er sich eines Tages gefragt. Mittlerweile sei er verheiratet gewesen, hatte einen Sohn, die Familie zog nach Miesbach und er fotografierte bayerisches Brauchtum, Beispiele sind in der Ausstellung zu sehen. Für einen Bildband mit dem Titel „Sonntag in Bayern“ habe er bei Abt Odilo Lechner wegen begleitender Texte angefragt, aber mit der Antwort, Gott sei nicht nur sonntags unterwegs, eine Abfuhr erhalten. Er möge mit tiefergehenden Dingen wiederkommen. Daraus habe sich dann später die intensive Zusammenarbeit mit etwa 100 gemeinsamen Büchern entwickelt.

Glamour & Licht
Hans-Günther Kaufmann (r.) mit Andreas Kuhnlein und Monika Ziegler. Foto: Judith Weber

„Dein Leben war ganz anders“, wandte sich die Moderatorin an Andreas Kuhnlein. Landwirtschaft, Schreinerlehre, Bundesgrenzschutz, aus der heilen Welt von Unterwössen in die Welt von Gewalt. Der Bildhauer habe aber eine Scheinwelt anderer Art, die verlogene und vertuschte Welt von Kindesmissbrauch durch einen Pfarrer erlebt und dafür gekämpft, dass sie ans Licht kommt.

Lesetipp: Die Wahrheit über den Missbrauch

Andreas Kuhnlein berichtete von diesen Geschehnissen, die drei seiner Schulfreunde betrafen und verschwiegen wurden. Im Gegenteil, die Opfer wurden beschuldigt, weil der Pfarrer versetzt wurde, ohne dass ihm der Prozess gemacht wurde. Sieben Jahre habe er gebraucht, um diesen Skandal aufzudecken und eine Andachtskapelle zum Gedächtnis an die Opfer zu gestalten. Er selbst und seine Familie habe unter der Ächtung der Dorfbewohner zu leiden gehabt.

Glamour & Licht
Der Repräsentant. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Serie „Schein und Sein“ in der Ausstellung betreffe ein Thema, das ihn schon lange umtreibe, der Unterschied zwischen Fassade und wahrem Selbst. Am Beispiel des Paares von Ludwig dem II. erläuterte er: „Da steht der König im Ornat, aber ich kann mir vorstellen, dass er abends allein in seinem Zimmer zusammengefallen auf einem Stuhl sitzt.“

Was mache den Menschen aus, das sei die Kernfrage, sagte der Bildhauer. Mit seinen zerklüfteten Skulpturen wolle er drei Dinge zeigen, jeder Mensch sei gewaltbereit, der Mensch sei verletzlich und er sei endlich. Vor allem letzteres solle man sich immer wieder vor Augen führen.


Andreas Kuhnlein (l.) mit Monika Ziegler und Hans-Günther Kaufmann. Foto: Judith Weber

Auch das Thema „Realität und Wirklichkeit“, das Hans-Günther Kaufmann als Motto seiner Ausstellung wählte, betreffe doch inhaltlich Schein und Sein, fragte Monika Ziegler. „Realität ist das, was wir Menschen schaffen, aber Wirklichkeit geht weit darüber hinaus und wir sollten uns wieder an diese größere Wirklichkeit anbinden“, erklärte der Fotokünstler, der mit seinem Projekt „Wir sind Schöpfung“ den Blick auf den großen Zusammenhang in unsere Welt richtete.

An dieser Stelle begegnen sich die beiden Künstler, denn für beide ist es die wichtigste Aufgabe, den Nachwuchs für dieses Thema zu begeistern. Beide initiierten viele Projekte mit Kindern und Jugendlichen. So war etwa im Waitzinger Keller Miesbach eine Ausstellung mit Werken von Kindern der Mittelschule und des Gymnasiums Miesbach zu sehen.

Jetzt werden Hans-Günter Kaufmann und Andreas Kuhnlein gemeinsam in Salzburg ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen zum Thema gestalten.

Sehnsucht nach dem Ursprung
Hans-Günther Kaufmann: Regenbogen.

Das dritte Thema „Glamour & Licht“, der Titel des Künstlergesprächs, stellt sich ebenfalls als Synonym für Schein und Sein dar. Während Hans-Günther Kaufmann den Glamour zugunsten des Lichtes aufgab, zeigt Andreas Kuhnlein Glamour in seinen Skulpturen im Gegensatz zum echten Leben. Seine zerklüfteten Skulpturen lassen das Licht hindurchfließen.

Der Künstler erzählte am Ende eine Begebenheit mit Kindern. Er habe zumeist in den Werken eine Öffnung in der Herzgegend angebracht. Ein Mädchen habe ihn gefragt, ob er das Herz herausgeschnitten habe oder ein Loch für das Herz hineingeschnitten habe.

Kinder, und darin waren sich beide Künstler mit dem Publikum einig, verkörpern das Sein, bevor sie in die Scheinwelt eintauchen. Mit der Kunst könne man in diesen Prozess eingreifen.


Andreas Kuhnlein: Aufbruch. Foto: Petra Kurbjuhn

Am 12. November um 18 Uhr eröffnen Hans-Günther Kaufmann und Andreas Kuhnlein in der Universitätskirche ihr gemeinsames Projekt mit einer Schulklasse. Der Fotograf zeigt seine Serie „Wir sind Schöpfung“ und der Bildhauer „Aufbruch“.

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