Wer wissen wollte, der wusste

Kino in Miesbach

Wieder einmal wurde ein besonderer Film im Rahmen des Projekts „Kino in der Kirche“ in der Apostelkirche gezeigt. Der 2014 in die Kinos gekommene Streifen erzählt die Geschichte der Auschwitzprozesse in Deutschland Ende der fünfziger Jahre, als die Deutschen nichts anderes wollten als vergessen und ja nicht darüber reden, was im Dritten Reich geschah.

Im Mittelpunkt des Films steht der junge Staatsanwalt Johannes Radmann (Alexander Fehling), eine fiktive Figur, der mit Verkehrsdelikten befasst ist und den Journalisten Thomas Gnielka (André Szymanski) kennenlernt, der über SS-Schergen in Auschwitz recherchiert. Er macht das Thema zu seinem und findet in Generalstaatsanwalt Fritz Bauer einen Verbündeten. Diesem, lange Zeit vergessen, wurde jüngst auch durch einen zweiten Film und einen Fernsehfilm vergangene Woche endlich die ihm zustehende Ehre zuteil.

Geschichte endete mit Weimaer Republik

Elisabeth Bartels erzählte, dass sie durch einen Zeitungsartikel im Jahr 2009 auf das Thema aufmerksam wurde und herausfand, dass die Hintergründe der Auschwitz-Prozesse noch nie erzählt wurden. Sie entschloss sich, ein Drehbuch zu schreiben, ihr erstes und hatte das Glück, noch mit einem Staatsanwalt von damals sprechen zu können, ebenso wie mit Angehörigen von Gnielka, der seine Erinnerungen aufgeschrieben hatte.

Im Gespräch wurde deutlich, dass in den fünfziger und sechziger Jahren tatsächlich nicht über die Verbrechen der Nazis gesprochen worden war, weder in den Familien, noch in der Schule. „Der Lehrplan Geschichte endete mit der Weimarer Republik“, hieß es. Und einer Ausstellung in der Region über die Nazivergangenheit sei nicht mit Wohlwollen begegnetworden. Aber es wurde auch klar gesagt: „Wir wissen wollte, der wusste.“

Erzählerische Freiheit

Dieses Vertuschen, nicht Wahrhabenwollen, was geschah, wird im Film sehr plastisch transportiert und so läuft auch der junge Staatsanwalt gegen Wände, oder verläuft sich in einem Labyrinth des Schweigens. Nur der „General“ Bauer, selbst KZ-Überlebender, hält zu ihm. Elisabeth Bartels erzählt, dass sie sich bewusst für einen Spielfilm und nicht für eine Dokumentation entschlossen habe. „Da habe ich mehr erzählerische Freiheit“, sagt sei, zudem könne sie aus der Perspektive des jungen Staatsanwaltes viel emotionaler erzählen.

Elisabeth Bartels und Regisseur Guilio Ricciattelli haben es verstanden, den in Selbstgerechtigkeit gipfelnden Eifer von Radmann der gütigen Weisheit Bauers (Gerd Voss) gegenüber zu stellen. Das sind wunderbare Szenen, ebenso wie die mit dem KZ-Überlebenden Simon (Johannes Krisch) aufwühlend sind. Seine Zwillinge fielen dem KZ-Arzt Josef Mengele in die Hände, was zu dramatischen Alpträumen bei Radmann führt.

Der Film, den es bereits als Video gibt, sollte im Geschichtsunterricht Pflicht sein. Wobei heute mit dem Thema Nationalsozialismus in der Schule ganz anders umgegangen wird. Eine junge Zuschauerin erzählte, dass sie mit der Klasse des KZ Dachau besucht haben. Am Ende des Abends wurde noch der Bogen zur Gegenwart gespannt. Auch heute sollten nicht die Augen verschlossen werden vor den Krisen dieser Welt und dem leid anderer Menschen. Es sei Zeit, nicht mehr nur an den eigenen Wohlstand zu denken.

Der nächste Film in „Kino in der Kirche“ am Samstag, 5. März, um 18 Uhr in der Apostelkirche Miesbach: „Die Kinder des Monsieur Mathieu“, Tragikomödie aus Frankreich.

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