
Perspektive Sehnsucht
Simone Möller (rechts) eröffnet ihre Ausstellung zum Thema „Sehnsucht“ im Grünen Raum in Bad Wiessee. Foto: Andreas Wolkenstein
Ausstellung in Bad Wiessee
Gerade jetzt, zur Urlaubszeit, steigt die Zahl an Fotos auf den digitalen Speichern, ob auf der Spiegelreflexkamera oder auf dem Mobiltelefon. Blickt man dann später darauf zurück, dann ereilt den Betrachter nicht selten ein Gefühl der Sehnsucht nach der Urlaubszeit. So ging es auch der Fotografin Simone Möller, die eines ihrer Werke „Sehnsucht“ nannte. Ihre Arbeiten zum Leitthema „Sehnsucht“ stellt sie aktuell im Grünen Raum in Bad Wiessee aus.
Leitthema Sehnsucht
Das Meer ist in goldene Töne getaucht, mitten drin ein Liebespaar in inniger Umarmung. Farbe und Motiv sprechen auf den ersten Blick die Sehnsucht nach Urlaub an. Das meint auch die Autorin des Werkes, die Fotografin Simone Möller. „Für mich drückt das Foto das Gefühl nach Sonne, Meer, aber auch Zweisamkeit aus“, erzählt sie bei der Vernissage im Grünen Raum in Bad Wiessee. Weil das Leitthema der dort zu sehenden Ausstellungen „Sehnsucht“ sei, habe sie sich auf die Suche nach einer Definition des aus ihrer Sicht schwer zu bestimmenden Begriffs gemacht. Am besten gefallen habe ihr die Idee, wonach Sehnsucht ein Gefühl von Freude und Trauer zugleich sei. Zudem fungiere Sehnsucht oft als Motor für Veränderungen und bringe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen.
Sehnsucht nach Sonne und Meer, aber auch nach Ewigkeit: Simone Möllers Werke vereinen eine Vielzahl an Perspektiven. Das linke Foto trägt den Titel „Sehnsucht“, das rechte heißt „Notre Dame de Chartres“. Foto: Andreas Wolkenstein
In Richtung Ewigkeit
Die zeitliche Dimension kommt in dem Werk mit dem Titel „Notre Dame de Chartres“ zum Ausdruck. Es zeigt den Turm der Kathedrale in Chartres (Frankreich). Für Simone Möller, die dem Künstlerkollektiv „Kunststatt“ angehört, verbindet es den Betrachter mit der Vergangenheit des geschichtsträchtigen Bauwerks. Das Foto führt den Blick von unten nach oben in Richtung Himmel. Dort verliert sich die Spitze im Nebel über der französischen Stadt. Mit der gewählten Perspektive weitet die Fotografin die zeitliche Dimension der Sehnsucht aus: Von der Vergangenheit geht es nicht nur in die Zukunft, sondern in die Ewigkeit, dem genauso end- wie formlosen Sein. Einerseits. Andererseits gilt die Ewigkeit in der Philosophie mitunter als das ganz Andere der Zeit. Sie steht gewissermaßen orthogonal zum Zeitstrahl. Aber wohin geht dann die Zeit, hat sie ein Ziel? Oder führt sie ins Nirgendwo – etwa durch den „Tunnel nach Irgendwo“, so der Titel eines anderen Fotos?
Passagio, Durchgang: Das Foto zeigt einen Säulengang in Venedig, Simone Möller fängt darin vorüberziehende Unterhaltungen ein. Foto: Andreas Wolkenstein
Durchgang
Simone Möllers Arbeiten wirken auf den ersten Blick viel bodenständiger, als diese Überlegungen den Anschein machen. Dennoch weisen sie durch Motive wie auch die Perspektiven auf das Mehr hin, das der Fotografie eigen ist. „Passagio I“ (italienisch für Durchgang oder Vorübergehen) etwa zeigt einen Säulengang in der italienischen Stadt Venedig. Offenbar ist es früh morgens, denn das links durch den halbwegs erkennbaren Schriftzug erkennbare Restaurant wird gerade beliefert. Man sieht zwei Menschen, die die Ruhe des Morgens für eine kurze Unterhaltung nutzen. Keine tiefe Diskussion, mehr ein kurzes Gespräch zwischen den jeweiligen Aktivitäten, denen die Gesprächspartner wohl davor und danach nachgehen. Was wird da wohl gesprochen? Alles und nichts: Es ist ein Gespräch im Vorübergehen, ein Gespräch, das vorübergeht, ein Gespräch im Durchgang.
„Sailing“ besticht durch eine einzigartige Perspektive und Farbgebung. Blau-grau schimmert das Meer, es steigt auf zum ebenfalls grauen Himmel, zwischen „den Welten“ fährt ein Segelboot. Foto: Andreas Wolkenstein
Perspektive Sehnsucht
Simone Möller ist viel mit der Kamera unterwegs – so viel, wie es ihre Arbeit im Vertrieb einer Softwarefirma und als Selbstständige zulässt. Da scheue sie sich auch nicht, sich für eine Aufnahme in den Dreck zu werfen, erzählt sie und lacht. Das Foto „Krebs im Morgenlicht“ etwa ist zufällig entstanden. Eigentlich war die Fotografin vor Sonnenuntergang an einem italienischen Strand, um Fotos in Langzeitbelichtung zu schießen. Dann habe sie den Krebs entdeckt, der über den Sand trippelte. Entstanden ist ein Foto, das dem Tier gewissermaßen über die Schulter schaut und dabei eine ganz eigene Perspektive auf den frühmorgendlichen Strand eröffnet. Simone Möllers Ausstellung von Fotos, die Sehnsucht zum Thema haben, lohnt sich schon deswegen, weil in allen Werken eine ganz besondere Perspektive zum Vorschein kommt. Und die Perspektiven sind es, die im Betrachter selbst Sehnsucht erwachen lassen.