Japanische Reise durch Zeit und Raum
In Masako Ohtas Konzerten sind Musik und Poesie vereint. Foto: IW
CD Rezension
Nach „Poetry Album“ hat die Pianistin Masako Ohta nun ein zweites Soloalbum herausgebracht. „My Japanese Heart“ ist nicht nur eine sehr persönliche Liebeserklärung ihre Heimat. Es nimmt vor allem die Hörenden mit auf eine Reise durch die Welt der japanischen Musikgeschichte bei einem die Jahrhunderte umspannenden Bogen.
Das erste Konzert Masako Ohtas nach dem Lockdown fand im Einstein in München statt. Mit den Worten „dieser Klang ist in mir, da bin ich aufgewachsen“, lud die seit 1988 in München lebende Japanerin ihre Konzertgäste ein, sie auf dieser Reise zur Quelle der Musik ihrer Heimat zu begleiten. Wer Masako Ohta kennt, weiß, dass ihre Konzerte immer Reisen sind. Reisen auf den Flügeln der Poesie und des Klanges. Reisen auf den Tasten des Flügels und in den Worten. Haikus, fast dahingeflüstert, geheimnisvoll auf Japanisch, vertraut auf Deutsch. Perlende, tropfende Töne. Überraschende Momente.
Erzählerisch durch die Welt der japanischen Musik. Foto: IW
Der Pianistin ist wichtig, dass die Menschen im Publikum hören, genau hinhören, auf die Töne und in die Stille, in die facettenreichen Zwischentöne hinein hören. Lauschen und empfinden und sich berühren lassen. Erfahren und begreifen – die Musik und die Geschichten und Biografien, das Wesen der japanischen Musik. Das ist besonders wichtig auf einer solchen Reise, die das Publikum in eine gänzlich fremde, andere Kultur führt. Eine Kultur, in der die Musik eine vollkommen andere Entwicklung nahm als in Europa. Wo in der Musik genauso wie in der Architektur die Elemente Raum und Zeit eine Rolle spielen.
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Von der Koto zum Piano
Wenn Masako Ohta Bach spielt, stellt sie dieser uns eingängigen Musik stets die japanischen Zeitgenossen gegenüber. In diesem Konzert nun, auf dieser „japanischen“ CD, kann sie den Blick noch intensiver auf die Musik ihrer Heimat richten. „Notierung gab es in diesem Sinne nicht im damaligen Edo-Japan“, erzählt sie, „eher wurde die Musik von Mund zu Mund weitergegeben.“ Auch sei das japanische Instrument der Bach-Zeit die Koto gewesen, erfährt das Publikum, ein Instrument mit drei Seiten, das mit drei Plektren gespielt wurde.
Nun ist für Masako Ohta das Klavier ebenfalls ein Saiteninstrument und zugleich ein Fantasieinstrument. Darum wird sie auch am Ende des Konzertes die Saiten im Resonanzkörper mit einer eigenen Improvisation bespielen. Aber zunächst beginnt sie mit Stücken der japanischen Klassik aus dem 17. Jahrhundert von Koto-Meister Kengyo Yatsuhasi, die damals für Koto als ein Solo-Instrument komponiert wurden. Das war revolutionär.
Der kluge Regenbaum
Fans der Wahlmünchenerin haben sich längst einen zeitgenössischen japanischen Lieblingskomponisten erkoren: Toru Takemitsu, dessen Interesse nicht nur der Musik, sondern auch der Literatur galt. So dürfen auch die „Rain Tree Sketches“, komponiert nach Kenzaburo Oe’s „Der kluge Regenbaum“, auf der CD nicht fehlen. Die Bücher des Literaturpreisträgers haben auch Masako Ohta immer wieder inspiriert, die „japanische Atmung in die Europäische Musik fließen zu lassen“.
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Wenn die Trägerin des Förderpreises für Musik der Stadt München spielt, vermag sie die Zeit einzufrieren. Sie steht still in einem zeitlosen Raum und versetzt die Zuhörenden in eine japanische Landschaft. Stücke wie „Der See im Frühling“, „Der Regenpfeifer“ oder die „Ankunft der schwarzen Schiffe“ erzeugen poetische Klangbilder, die durch die Ohren fließen und sich direkt auf die Netzhaut brennen, während Masako Ohtas Hände leicht wie die Flügel des Regenpfeifers über die Tasten streifen.
So schaut die neue Solo-CD von Masako Ohta aus. Foto: Winter & Winter
Am Ende des knapp zweistündigen Konzertes sind sich alle einig: Das war intensiv und beglückend – ein großartiges Konzert, das die graue, lange Lücke füllte, die Corona in den Kulturfluss gerissen hat.