Max Frisch

Max Frisch kongenial umgesetzt im Wald4tler Hoftheater

Nachts um 2: Manuel Witting als Professor Hannes Kürmann und Runa Schymanski als Antoinette Stein. Foto: MZ

Theatertipp in Niederösterreich

Theater der Extraklasse bietet das Wald4tler Hoftheater. Die Inszenierung der Komödie „Biografie. Ein Spiel“ von Max Frisch kann diesem Anspruch vollauf genügen, großartige Schauspieler, einfallsreiche Regie, temporeiches Spiel, ein Abend, der nachhallt.

Das ganze Dilemma beginnt nachts 2 Uhr, als der frisch gekürte Professor Hannes Kürmann nach der Party mit hängender Smokingschleife auf seiner Wohnzimmercouch Antoinette Stein vorfindet, die nach der anschließend gemeinsam verbrachten Nacht seine Frau wird. Eine glückliche Ehe wird es nicht, zudem erkrankt er schwer und verliert aus politischen Gründen auch noch seine Stellung.

Was wäre, wenn

Und jetzt kommt das, was wohl jeder schon einmal gedacht hat: Was wäre gewesen, wenn. Er bekommt die Chance, die Zeit zurückzudrehen und an entscheidenden Punkten seiner Biografie anders zu entscheiden. Dazu hat Max Frisch in seinem Stück, das eigentlich keine Komödie ist, einen Spielleiter eingesetzt, der mit zwei Assistenten die Regie der Vergangenheitsneuinszenierung dirigiert.

Max Frisch
Manuel Witting mit den beiden Assistenten des Spielleiters Lisa Lena Tritscher und Viktor Rabl. Foto: MZ

Und so bekommt er wie der Protagonist in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ die Möglichkeit, insbesondere die 2 Uhr-Szene neu zu gestalten, um seinem missratenen Leben einen Spurwechsel zu geben. „Ich will nicht, dass sie meine Frau wird“, beschwört Hannes den Spielleiter. Und dieser antwortet lapidar: „Ihre Biografie könnte anders aussehen, man müsste sich nur einmal anders verhalten.“ So einfach also ist es. Aber nicht nur diese, auch andere wesentliche Begebenheiten seiner Vergangenheit werden neu aufgerollt. So die Szene, als er entscheidet, in die Partei einzutreten, was später zu einem Problem wird.

In der Rückschau

Hannes versucht sich zu erinnern: „Ein einziges Mal hatte ich eine Einsicht, aber was war es, ich kann es nicht wieder denken.“ Sein Wunsch nach einer anderen Intelligenz wird ihm vom Spielleiter nicht erfüllt.

Das Publikum muss in der Rückschau miterleben, was Hannes alles verbockt hat, die Geliebte in Kalifornien sitzen gelassen, eine andere geheiratet, für deren Selbstmord er sich die Schuld gibt. Den Arztbesuch aufgeschoben, bis es zu spät ist.


Lisa Lena Tritscher als erste Braut, die später Selbstmord begeht. Foto: MZ

Das Spannende an der Inszenierung von Hakon Hirzenberger ist, dass er einen Wechsel zwischen schnellen und expressiven Szenen abwechseln lässt von ruhigen, retardierenden. Immer wieder kommen auch witzige Regieeinfälle vor, so werden die Ledersofas, wenn sie nicht in die Szene gehören, mit weißen Tüchern abgedeckt. Hinsetzen ist dann aber nicht erlaubt.

Ensemble spricht und spielt hervorragend

Es ist eine große Freude, dem Schauspielensemble zuzuhören, sie sprechen hervorragend, auch dem Publikum abgewandt ist jedes Wort verständlich. Und es ist eine große Freude, ihnen zuzusehen, denn sie spielen sämtlich hervorragend. Manuel Witting spielt den Professor für Verhaltensforschung Hannes Kürmann sehr differenziert, je nach Episode, letztlich ist er ein armer Tropf, dessen Fehlentscheidungen und Unsicherheit der Schauspieler tief auslotet. Runa Schymanski ist eine kühle, selbstbewusste Antoinette Stein, die klar kalkuliert, was sie will und mit ihrem Mann ebenso wie ihrem Geliebten spielt.


Antoinette Stein hatte einen Zusammenbruch. Foto: MZ

Energisch und souverän verkörpert Alexander Braunshör den Spielleiter, der nichts durchgehen lässt, immer wieder Stopp! ruft und die fiktionale Versuchsanordnung von Max Frisch kongenial umsetzt. Seine beiden Assistenten haben neben diesen Rollen, in denen sie ständig im Drehbuch blättern und alte Szenen vortragen müssen, zahlreiche andere Rollen aus der Vergangenheit unseres Protagonisten-Ehepaares zu spielen.


Alexander Braunshör (r.) als Spielleiter. Foto: MZ

Lisa Lena Tritscher ist eine köstliche Haushälterin Frau Hubalek, die mit ihrem Dialekt und ihrer Durchschlagskraft exzessiv durch die Szene schreit. Ebenso überdreht ist sie als deren italienische Nachfolgerin Pina. Viktor Rabl kommt als Assistent witzig tolpatschig daher, souverän indes als Geliebter Egon ebenso wie als die Professorenkollegen. Zu Hochform allerdings läuft er als Arzt auf, der in rasendem Tempo alle Lebensmittel aufzählt, die Hannes nicht essen darf. Diese Szenen setzen die humorvollen I-Tüpfelchen auf die eigentlich ernsthafte Handlung. In ihrer Überzogenheit transformieren sie das irreale Geschehen ins völlig Absurde.

Max Frisch
Lisa Lena Tritscher und Viktor Rabl geben dem Stück die humorvoll-absurden Zwischentöne. Foto: MZ

Die stimmige Musik (Moritz Hierländer), sowie Bühnenbild (Gerhard Kaizner, Erich Überlacker) und Kostüme (Andrea Bernd) tragen zum Gelingen der Inszenierung ebenso bei, wie das Licht (Sabine Wiesenbauer), das jeweils von Spiel zu Realität wechselt.

Die Frage, was wäre, wenn ist ebenso verlockend wie letztlich überflüssig. Max Frisch findet für die Tatsache, dass ja doch alles immer ganz anders kommt, eine überraschende Umsetzung. Ein fantastischer überaus empfehlenswerter Theaterabend im Wald4tler Hoftheater in Pürbach/Schrems.

Die nächsten Vorstellungen sind heute und morgen um 20.15 Uhr und am Sonntag, um 16 Uhr. Karten gibt es unter 0043-2853-78469 oder office@hoftheater.at. Ein Ausflug in das nördliche Waldviertel mit seiner reichen Kulturlandschaft ist überaus empfehlenswert.

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