Jane Austen

Seebuchhandlung feierte Jane Austen

Jane Austen in der Seebuchhandlung. Foto: StillS

Veranstaltung in Rottach-Egern

Zum 250. Geburtstag der Autorin gab es einen Blumenstrauß aus Pop-Kultur. Auf Tiktok ist Jane Austen heute ein Star. Es gibt in heutiger Zeit unzählige Film und Serienadaptionen ihrer Romane. Und natürlich moderne Nacherzählungen, Fanfiction oder Graphic Novels, die ihre Geschichten in die Gegenwart übertragen. Bestsellerautorin Caroline Wahl, heute so alt wie Jane Austen damals, bekennt offen, dass sie sich von der Britin nach ihrer Austen-Lektüre zu ihren eigenen Romanen animieren ließ. Es gibt Austen-Festivals, Austen-Museen und Online-Fancommunities. Die nennen sich „Janeites“, gesprochen wie „Jane“ und „Night“ plus die Endung „-ies“.

Eine Veranstaltung mit viel Leichtigkeit

Warum das so ist, darüber lässt sich lange sinnieren. Die ZEIT und die Süddeutsche haben es in Dossiers und klugen Artikeln getan. Herzensfröhlich beobachten ließ es sich beim Austen-Nachmittag in der Seebuchhandlung. Barbara Schäfer hatte zu Lesungen eingeladen. Zu jeder vollen Stunde durfte einer Vorleser ganz nach freier Wahl und liebstem Gusto zehn Minuten aus einem Austen-Werk vortragen. „Ich habe einfach ein paar meiner Stammkunden gefragt, von denen ich wusste, sie haben Spaß an so einer Aktion“, sagt Schäfer. Die Buchhändlerin wollte nichts gravitätisch Literarisches, sie wollte quasi eine heile Leichtigkeit. Ein bisschen so wie die Romane der Jane Austen heute wirken.

Jane Austen
Das Team der Seebuchhandlung mit Barbara Schäfer (r.). Foto: StillS

Fluchtort in unsicherer Zeit

„Gerade in unserer Welt, in der so wenig noch sicher zu sein scheint, flüchten sich viele Leser in Janes Welt, weil sie wissen, was sie dort erwartet“, schreibt Volker Weidermann in der aktuellen ZEIT. Die Romane lieferten in den 1810er Jahren als sie entstanden Gesellschaftskritik, aber doch fügte sich am Ende immer alles zum Guten. Die Austen-Welt ist nicht disruptiv komplex, für Probleme gibt es bei gutem Charakter Lösungen, die sich für alle ideal zusammenfügen.
Vielleicht ist damit schon beschrieben, warum Jane Austen solche Wirkung über Generationen hinweg erzielt.

Drei Generationen Janeites in Rottach

Am Nachmittag, als bereits die beiden ersten Lesungen vorbei sind, sitzen drei Generationen Janeites auf der Polsterbank in Rottach. Die Kleine greift sich zielsicher das Bilderbuch, das Jane Austens Leben erzählt. Mit ihrem Fingerchen streicht sie tiefkonzentriert über die Seiten, vergisst nicht an ihrem rosa Schnuller weiter zu nuckeln, währen Mama versucht interessiert dem Vortrag zu lauschen und Oma mit geschlossenen Augen lächelt, als würde sie sich in verliebte Jugendtage träumen. Natürlich ist das nur eine Mutmaßung, aber wer sich in Jane Austens Welt begibt, darf das unterstellen. Es ist schließlich der Kern all ihrer Geschichten.

„Sense and Sensibility“ – Verstand und Gefühl

Jane Austen
Claudia Golling (l.) und Frances Mary Clemens (r.). Foto: StillS

„Es geht in allen Büchern um eine zentrale Frage: Wer darf wen heiraten“, leitet Barbara Schäfer auf die nächste Lesung hin. Claudia Golling, Schauspielerin und selbst Autorin, kommt mit einer offensichtlich sehr vielgelesenen Ausgabe von „Sense and Sensibility“, „ Verstand und Gefühl“ heißt er auf Deutsch. Es war der erste große Roman von Jane Austen, der 1811 erschien. „Ich muss aus meiner eigenen Ausgabe lesen, die ist mit mir gewachsen“, lächelt Claudia Golling und entführt mit den wenigen letzten Seiten des Romans ins Universum der Jane Austen. Ihre wandlungsfähige, lebendige Stimme, lässt mit Tonfall und Rhythmus Figuren unterscheidbar und Spannungen hörbar werden. Und klar wird: Es ist mal wieder am Ende alles gut. Obwohl nach dem Tod des Vaters die Dashwood-Frauen ihr Zuhause verlassen und deutlich bescheidener leben mussten. Obwohl die beiden Schwestern Elinor und Marianne durch Erschütterungen aller Art, durch gesellschaftliche Erwartungen, Geldfragen und Geheimnisse sich durchwarten müssen, finden sie doch noch ihren Ehemann. Marianne bekommt den charmanten Willoughby, Elinor den etwas linkischen, aber sehr vertrauenswürdigen Edward Ferrars.

Die Kunst des Wartens – Frauenrollen in Austens Zeit

Damals war’s eben so: Frauen sollten ja nichts tun, sie durften nicht aktiv werden, konnten keinen Typen anmachen oder sich ihn gar angeln. Für die Heldinnen der Romane war es ja überhaupt die größte Kunst zu jener Zeit, zurückhaltend und sanft zu sein. „Selbstbeherrschung. Schweigen. Warten. Leise leiden.“, das war gefordert, schreibt Volker Weidermann. „Ein vernünftiges Wesen“ musste eine Frau bei Jane Austen zeigen.

So manche Zuhörerin fand sich durch diesen Mix aus Romanfiguren, der historischen Jane Austen und der Sehnsucht nach idealer Welt höchst unterhalten. Da war nicht nur diese eine hingebungsvolle Zuhörerin, die offenbar die Geschichten so gut kennt, dass sie vorausschauend mitlachte, ganz offensichtlich innerlich beteiligt war und sichtbar genießerisch zuhörte. Da gab es mehrere. Auch Kunden, die zufällig in die Ladenlesung kamen, erfreuten sich daran.

Lesungen über Sprachen hinweg


Monika Mai und Florian Bachmeier. Foto: StillS

Das funktionierte offenbar über die Sprachen hinweg. Zwei Lesungen gab es auf Englisch. Frances Mary Clemens ist Mitarbeiterin in der Seebuchhandlung, stammt aus Irland. Sie vermittelte auch den Klang der Austen-Sprache; ganz wunderbar. Monika Mai, bekannt vom Englisch-Stammtisch im Tal, setzte wiederum den Kontrapunkt: „Ich habe noch nie etwas von Jane Austen gelesen, das ist jetzt das erste Mal“, gab sie frank und frei zu. Ein bisschen Emma – eben wie die Heldin des Romans, die erkennen muss, dass eigene Einsicht fürs gemeinsame Zusammenleben wichtig ist.

Die Entdeckung der Jane Austen durch einen Fotografen

Am Ende kam der Schlierseer Fotograf Florian Bachmeier mit „Mansfield Park“ zum Lesen. Er war wohl noch kein Janeite, aber einer, der einen ähnlichen Blick auf die Gesellschaft hat. Was Jane Austen in Worten an Gesellschaftskritik äußerte, kommt bei ihm durch seine Fotos auf. Um so mehr passte es, dass er die Geschichte der Fanny vortrug. Der Mann ist einer, der das, was man gerne übersieht, ins Foto setzt. Heldin Fanny mausert sich vom übersehenen armen Mädchen zur starken, respektierten Frau. Natürlich an der Seite ihres Herzensmannes.


Publikum bei der Veranstaltung in der Seebuchhandlung. Foto: StillS

Ein idealer Nachmittag

Natürlich hat die Seebuchhandlung alle Werke vorrätig, als Glamour-Ausgaben oder in der Originalsprache. Natürlich war es ein Nachmittag, zauberhaft und in bester Gesellschaft. Man kannte sich, naschte Kekse und kaufte Bücher. Ob sich an diesem Nachmittag auch eine Ehe anbahnte, ist unbekannt. Immerhin gibt es einen Ratgeber der Ur-ur-Ur-Großnichte von Jane Austen für Herzensangelegenheiten in heutiger Zeit. Doch eines ist gewiss: Es war eine ideale Vergnügung im adventlichen Trubel am See.

Zum Weiterlesen: Selbstverzwergung und Zurückholen der Zukunft

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