Ja, nein, vielleicht

Doris Knecht. Foto: MZ

Lesung in Gmünd/NÖ

Mit einem Highlight warteten zum Abschluss die diesjährigen Internationalen Sommergespräche der Waldviertel Akademie auf: Die renommierte österreichische Schriftstellerin Doris Knecht las aus ihrem soeben erschienenen Roman „Ja, nein, vielleicht.“

Der Saal in der Eisenberger Fabrik in Gmünd füllte sich zusehends. In dem alten Industriegebäude mit besonderem Charme hat sich ein Kulturzentrum etabliert. Richard Pils, Gründer des Verlags Bibliothek der Provinz, organisiert hier regelmäßig Ausstellungen. Derzeit ist eine Fotoausstellung von Franz Krestan über Häuser und Menschen im Waldviertel zu sehen.

Ja. Nein. Vielleicht.
Richard Pils und Thomas Arthaber, Vorsitzender der Waldviertel Akademie. Foto: MZ

Er gab seiner Freude Ausdruck, dass die Waldviertel Akademie, die er als Nabelschnur zwischen Kultur, Wissenschaft und Politik bezeichnete, zu Gast in dieser ehemaligen Weberei sei.

Mit Doris Knecht, so die Moderatorin Martina Kainz von der Waldviertel Akademie, sei heute eine Autorin und Kolumnistin, etwa für den „Falter“ eingeladen, die aus Vorarlberg stammend, jetzt in Wien und im Waldviertel zu Hause sei.


Doris Knecht, umringt von den Veranstaltern. Foto: MZ

Dieses im Waldviertel Zuhausesein spiegelt sich in ihrem aktuellen Buch. Es sei, sagt die Autorin, als Fortsetzung von „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ zu sehen. In diesem Buch trennt sich die Protagonistin von vielen Dingen und beginnt ein neues Leben auf dem Land.

Doris Knecht
Doris Knecht hat zahlreiche Romane publiziert. Foto: MZ

In „Ja, nein, vielleicht“ ist sie angekommen in ihrem neuen Haus irgendwo in der Pampa. Doris Knecht liest als erstes eine Textstelle, die als Wendepunkt des Romans gelten kann. Sie trifft im Supermarkt Friedrich, eine Liebe von vor 24 Jahren. Und wieder tut sich zwischen ihnen ein Raum voller Wärme auf, wie damals, als die Träume noch eine konkrete Zukunft hatten.

Und wie damals erwartet sie sehnsüchtig seine Nachrichten, duscht und zieht sich frische Kleidung an, bevor sie sie liest und findet sich an einem Ort, an dem sie nie wieder sein wollte. Will ich diese Tür öffnen?, fragt sie sich.

„Ich bin nicht unsterblich“

Denn eigentlich hat sich die Protagonistin mit zwei erwachsenen Kindern sehr gut in ihrem eigenständigen, unabhängigen Leben eingerichtet, in dem ein Mann gar keinen Platz hat. Also Nein? Oder doch Vielleicht? Es sieht so aus, als wäre das Buch eine Liebesgeschichte, aber schon in der zweiten Textlesung zeigt sich eine weitere Dimension des Romans.

Bei einem Zahnarztbesuch nämlich muss sie erfahren, an Parodontitis zu leiden. „Ich bin nicht unsterblich“, erkennt die Erzählerin und zählt all ihre Reparaturen am Körper auf, die bereits vollzogen wurden. Und summiert auch alle schweren Erkrankungen in ihrem Umfeld und versucht sich klar zu machen, was dagegen schon ein Zahn sei, denn eigentlich sei ihr Körper ein Premium-Organismus, und doch, es ist eine Katastrophe.

Doris Knecht
Moderatorin Martina Kainz und Doris Knecht. Foto: MZ

Im Gespräch mit Martina Kainz erklärt Doris Knecht, dass sich Frauen, die sich um alles zu kümmern haben, zu wenig um sich selbst kümmern und irgendwann werde dieses Gefühl groß. Es geht hier also um den Alterungsprozess, mit dem sich Doris Knecht auf die ihr eigene selbstironische Art auseinandersetzt.

Aber auch ihr Haus altere, meint die Moderatorin. Im dritten Abschnitt erzählt die Autorin vom Leben als Alleinstehende auf dem Dorf, vom Rauchfangkehrer, den der Hund nicht mag und bei dem sie froh ist, wenn er wieder geht, denn er fragt sehr anzüglich, ob sie hier allein lebe. Sie erzählt aber auch von der Hilfsbereitschaft von Nachbar Alfred und von ihrem Hausgenossen, dem Marder.

Wird die romantische Zweierbeziehung überbewertet?

Die Erzählerin reflektiert, wie schön es ist, nicht allein zu sein, Familie und Freunde zu haben, entscheiden zu können, wie man leben will, sich nicht mehr um die Belange anderer kümmern zu müssen. Und die Zweierbeziehung?

Werde die romantische Zweierbeziehung überbewertet, fragt Martina Kainz, denn die Erzählerin habe ja eine wunderbare Freundin in Therese. „Das Glück ist, entscheiden zu können“, antwortet Doris Knecht, eine Frauenfreundschaft sei etwas besonderes und sie schätze sie sehr.

Die Macht der Autorin

Zum Thema Liebe und Altern kommt eine dritte Ebene im Roman hinzu. In dieser Metaebene zeige sich die Macht der Autorin, erklärt Doris Knecht, denn sie fügt Passagen über das Schreiben und die Auseinandersetzung mit Lektorin und Verlegerin ein. Am Beispiel der Figur von Jonny wird das deutlich. Blass und blutleer sei dieser Freund, habe die Lektorin gesagt und sie möge ihn herausschreiben. „Aber ich mag das Blasse an ihm“, beharrt die Erzählerin und fügt an, es mache Spaß, wie Gott dazustehen und die Figuren zu zeichnen. Der Roman sei zu 30 Prozent echt und zu 70 Prozent fiktional, im Grunde sei es egal, was echt ist und was nicht. „Es soll eine gute Geschichte werden.“

Zum Schluss lässt sie das Publikum mit einem Cliffhänger zurück. Die Erzählerin muss in ihre Stadtwohnung, in der zurzeit ihre Schwester wohnt, anlässlich eines Zahnarztbesuches zurück. Als sie klingelt, öffnet ein unbekannter Mann und verschließt sofort wieder die Tür.

Doris Knecht
Beim Signieren. Foto: MZ

Mit einer unnachahmlichen Leichtigkeit in der Sprache gelingt es Doris Knecht in ihren Romanen, zwischenmenschliche und gesellschaftliche Themen anzupacken. Hier ist es die Frau über 50, die sich im Leben eingerichtet hat, mit allen Tücken aber auch mit der Freiheit, entscheiden zu können, wie man leben will. Und dann plötzlich wieder dieses Flattern im Bauch. Soll sie dem stattgeben? Braucht es die Liebe? Oder gilt vielmehr die Äußerung von Lilli Palmer im Film „Theater“: „Was ist die Liebe gegen ein Beefsteak mit Bratkartoffeln?“

Doris Knecht „Ja, nein, vielleicht“ Hanser Verlag 2025.

Zum Weiterlesen: Spät aber doch

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