
Leidenschaft und Präzision
Corinna Harfouch und Hideyo Harada gestalteten eine Hommage an Rachmaninow. Foto: Petra Kurbjuhn
Konzert in Gmund
Eine Hommage an Sergei Rachmaninow erbrachten die Schauspielerin Corinna Harfouch und die Pianistin Hideyo Harada am fünften Abend des Internationalen Musikfestes am Tegernsee. Einem faszinierenden Komponisten und einem der besten Pianisten der Welt war der Abend, ein Zusammenspiel von Text und Musik, gewidmet.
Hand in Hand betraten die beiden Künstlerinnen die Bühne und symbolisierten damit ihre Verbundenheit, die sie in dieser Veranstaltung auf immerwährende Weise zeigten. Mit vielfältigen Programmen sind sie miteinander zu erleben und die Schauspielerin lobte eingangs Bühne und Flügel in der Tenne von Gut Kaltenbrunn.
Und dann startete sie unvermittelt und rasch mit ihren Einblicken in das Leben des russischen Musikers. Er sagte: „Die Schwester der Musik ist die Poesie und die Mutter ist die Schwermut.“ Unter diesem Motto standen Texte und Musik, die unglaublich fein aufeinander abgestimmt waren.
Schon im vergangenen Jahr überzeugte die japanische Pianistin bei einem Abend, der der schwierigen Beziehung von Wagner und Liszt gewidmet war und bei dem die Schauspieler Wolfgang Thieme und Peter Lohmeyer die Textpassagen übernahmen.
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Corinna Harfouch nahm in ihrer sich selbst zurücknehmenden Art das Publikum mit in die Welt Rachmaninows, las aus seinen Briefen und aus Erinnerungen seines Freundes Alexander Goedicke sowie seiner Cousine Sofia Satina.
In der Musik, das war die Überzeugung des Komponisten, müsse man alle Aspekte des Lebens wiederfinden. Was er innerlich höre, das, was im Herzen vorgehe, das drücke er aus, Liebe, Traurigkeit, Religion. Aber er sei auch ein Sklave und leiste Herkulesarbeit.
Inspiriert werde er von der Schönheit der Natur ebenso wie von Poesie, etwa von Puschkin, Shakespeare oder Lord Byron. In der Poesie und in der Malerei stecke Musik, aber man solle sich nicht von Bildern schöner Frauen ablenken lassen, da bringe man nichts zustande, lächelte Corinna Harfouch in ihrem Vortrag und fügte ernst an: für die Musik brauche es den göttlichen Funken des Schöpferischen.
Die renommierte Schauspielerin Corinna Harfouch. Foto: Pascal Buenning
Das Publikum erfuhr, dass Rachmaninow sowohl den Gesang der Mönche als auch sinfonische Musik und den Gesang der Roma liebte, insbesondere aber von Glockengeläut fasziniert war. Dieses rufe ein Echo in der Seele hervor und er wolle die Glocken in seiner Musik schwingen lassen.
Hatte Hideyo Harada bis dahin ausdrucksstark zwei anspruchsvolle Préludes aus dem Opus 32 mit melancholischem ebenso wie rhythmisch-markantem Klang, schnellen Läufen und dramatischen Akkorden gespielt, so konnte sie im Moment musical C-Dur opus 16 nicht nur die Resonanz zum Text von Corinna Harfouch herstellen, sondern ihre Emotionen ausleben. Das überaus schwierige Maestoso hat mit seiner sich wiederholenden Akkordmelodie kanonartige Züge, wird im Mittelteil lichter und verdichtet sich am Ende wieder zu einer Dramatik, die höchstes spielerisches Niveau der Pianistin zeigt. Als Schülerin von Viktor Merzhano, der bei Rachmaninows Freund Alexander Goedicke studierte, steht sie in direkter Tradition zu Rachmaninow.
Eine großartige Rachmaninow-Interpretin Hideyo Harada. Foto: privat
Tosender Applaus unterbrach hier die Darbietung, bevor Corinna Harfouch mit ihrer Lesung fortfahren konnte, die jetzt zum Gut der Rachmaninows Iwanowka führte, das dem Komponisten ans Herz wuchs. Aus den Erinnerungen der Cousine wird deutlich, dass der Komponist ein zartfühlender Familienvater war, bescheiden und einfach im Umgang, sowie verständnisvoll mit anderen Menschen.
In der Nacht nach der Geburt der ersten Tochter Irina, so merkte Corinna Harfouch an, schrieb er das nun folgende Stück, Prélude D-Dur, opus 23, ein zärtlich-inniges gefühlvolles Lied.
Verlust der Heimat
Dann aber kam der Bruch im Leben und Schaffen des Künstlers. Mit der Oktoberrevolution 1917 sah Rachmaninow das Ende des alten Russlands und dass Kunst nicht mehr möglich war. Er nahm ein Angebot Schwedens an und verließ mit seiner Familie die Heimat. Hideyo Harado spielte das berühmte cis-moll Prélude bravourös zum Ausklang des ersten Teils.
Nach der Pause setzten die beiden Künstlerinnen ihr Ineinanderfügen von Text und Spiel fort. Jetzt ging es um den Verlust der Heimat, den Rachmaninow so beklagte. Auch kam er mit der neuen Musik, die, wie er sagte, statt aus dem Herzen aus dem Kopf komme, nicht zurecht. Diese Musik frohlocke nicht, er indes habe immer Schönheit erschaffen wollen.
Der Komponist äußerte sich in seinen Briefen auch zum Erfolg und betonte, dass ein Künstler vor allem am Anfang Hilfe und Berater brauche. Er habe in Tschaikowski einen solchen gehabt und verdanke ihm sehr viel.
Jetzt im Alter stehe ihm die ganze Welt offen, der Erfolg sei da, aber seine Heimat Russland bleibe ihm verschlossen. Hideyo Harada konnte in zwei Sätzen der 2. Sonate b-moll opus 36 ihre spielerische Perfektion ebenso wie ihre emotionale Leidenschaft für die Musik Rachmaninows demonstrieren. Anhaltender Applaus dankte den beiden außergewöhnlichen Künstlerinnen für einen Abend großartiger, mit Präzision und Leidenschaft gespielter Musik und inspirativen Einblicken in das Leben des faszinierenden Musikers. Das Ineinanderschmelzen von Text und Musik bereichert das Festival.