
Das Wunderbare dazwischen
Jennifer Roger und Isabella Heller (Bücheroase Schliersee), André Schäfer und Mechthild Manus (KBW). Foto: MZ
Film in Hausham
Ein filmisches Kunstwerk duften die Gäste bei der 6. Veranstaltung der Reihe „Von Büchern und Filmen“ der Bücheroase Schliersee, dem Oberland Kinocenter und dem Katholischen Bildungswerk im Landkreis Miesbach erleben. Regisseur André Schäfer präsentierte seinen Film „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“.
Das Besondere der Reihe ist, dass aktuelle Filme gemeinsam mit verwandten Büchern vorgestellt werden und nach dem Film prominente Gäste zum Interview und Publikumsgespräch eingeladen werden.
Hier war es der Regisseur selbst, der nach Hausham gekommen war. Organisatorin Mechthild Manus stellte ihn als Regisseur, Autor und Produzent vor, der mit seinen Filmen über Loriot und Hape Kerkeling als erfolgreichste Dokumentarfilme ein Millionenpublikum erreichte. Über Thomas Mann habe er drei Filme gedreht. „Was fasziniert Sie an ihm“?
Mechthild Manus und André Schäfer. Foto: MZ
Er habe Thomas gelesen und über „Die Buddenbrooks“ und den „Zauberberg“ Filme gedreht. An Felix Krull habe ihn fasziniert, dass Thomas Mann fünfzig Jahre lang an diesem Buch geschrieben habe und darin ausdrückte, was er sich nicht getraut habe, auszusprechen.
„Ich weiß, dass ich falsch lebe“, ist ein wichtiges Zitat aus dem Film „Die Bekenntnissee des Hochstaplers Thomas Mann“, der kunstvoll Spielszenen mit Dokumentarszenen verbindet und zusammenfließen lässt. Sebastian Schneider ist ein großartiger Felix Krull ebenso wie Thomas Mann, eine schillernde Figur in wahnwitziger Verkleidung. Göttergleich gewachsen, mit weiblichen Gesichtszügen verkörpert er den Menschen, der sein Schöpfer wohl selbst gern gewesen wäre.

Beeindruckend die berühmte Musterungsszene, in der Felix Krull die kaiserliche Ärzteschaft verkohlt, vom Regisseur kunstvoll und gleichzeitig erschreckend unterlegt mit grauenvollen Kriegsszenen aus dem 1. Weltkrieg.
Berührend die Bekenntnisse aus den Tagebüchern Thomas Manns, erst dreißig Jahre nach seinem Tod veröffentlicht, und die Szenen der Familie. Ehefrau Katia, die die unausgesprochene Homosexualität ihres Mannes duldete und die Kinder Erika und Golo, die ein ambivalentes Verhältnis zum übermächtigen Vater hatten. Ja, sagt Golo Mann, er habe auch nett sein können. Aber letztlich war der Nobelpreisträger Thomas Mann zwei Gestalten.
Sebastian Schneider in Thomas Manns Arbeitszimmer. Foto: mindjazz
In seinen Tagebüchern offenbart er seine Leidenschaften, seine Sehnsüchte und Ängste und in Felix Krull lebte er sie öffentlich an seiner Romanfigur aus. Die Vereinigung von Krull und Mann kommt im Film ganz besonders in dem Bildnis zutage, das von dem Maler Friedel Anderson gefertigt wird, anfangs porträtiert er Felix Krull und übermalt in letztlich zu Thomas Mann.
Sebastian Schäfer. Foto: mindjazz
Im anschließenden Gespräch mit Filmwissenschaftlerin Isabella Heller von der Bücheroase vertiefte André Schäfer diese Verschränkung der beiden Figuren. Thomas Mann habe diese Romanfigur erfunden, um darzustellen, was er sich erwünscht habe. In dem Bildnis schimmere am Ende noch etwas Krull hindurch und man könne auch das Foto von Thomas Mann sehen, an dem sich der Künstler orientiere.
Das Bildnis. Foto: mindjazz
Isabella Heller zitierte den alles beschreibenden Part im Film, in dem Sebastian Schäfer sagt, er sei nicht Frau oder Mann, sondern etwas dazwischen, „das Wunderbare bin ich“. Dem Schauspieler gelinge es, diese androgyne, nonbinäre Figur darzustellen. Er habe diesen Film über fiktionale Szenen vermischt mit Originalzitaten, Wirklichkeit über Illusion dargestellt, sagte der Regisseur. „Alles im Film ist wahr.“
Er wies auf ein Detail hin, als Sebastian Schneider mit grün lackierten Fingernägeln über Originalausgaben Mannscher Bücher streicht. „Thomas Mann ist nicht verstaubt“, betonte er.
Isabella Heller im Gespräch mit André Schäfer. Foto: MZ
Neben der persönlichen Ebene spiele, so fügte ein Besucher an, sei auch die zeitgeschichtliche Ebene im Film wichtig, denn sie zeichne fünfzig Jahre politischer Ereignisse nach. Dabei habe er diejenigen geschichtlichen Fakten eingebaut, die im Kontext zum Leben Thomas Manns, der von Deutschland in die Schweiz und später in die USA flüchtete, von wo er nach dem zweiten Weltkrieg nach Europa zurückkehrte.
Auch die Musik spiele eine wichtige Rolle, hieß es aus dem Publikum, so erklinge etwa Wagners „Parsifal“ bei dem Tanz, den Sebastian Schäfer zeigt. Die andere Musik aber habe die Komponistin Daphna Keenan eigens nach den Gefühlen, die er jeweils ausdrücken wolle, komponiert, erklärte André Schäfer.
„Man muss einen Film anschauen, wie man ein Buch liest“, erklärte er zum Schluss, wenn er lese, male er sich das Gelesene bunt aus, „das wollte ich machen“. Es sei sein Versuch, wie er Thomas Mann sehe.
Als Dank überreichte ihm Jennifer Roger, Inhaberin der Bücheroase Schliersee, ein weiteres Buch über Thomas Mann: Kerstin Holzer „Thomas Mann macht Ferien“ (2025), bevor der Abend mit Gesprächen bei Wein und Häppchen ausklang.