
„Die Kunst muss frei sein!“
Zither-Manä, Christian Springer, Florian Sundheimer und Andreas Wolkenstein im Altwirtsaal in Warngau (von links). Foto: CS
Warngauer Dialoge im Altwirtsaal in Warngau
Am 19. November fand im Altwirtsaal in Warngau der 7. Warngauer Dialog statt. Diesmal drehte sich der Gesprächsabend um die Frage: Wie politisch ist Kultur? Zu Gast waren der bekannte Kabarettist Christian Springer und der Münchner Galerist Florian Sundheimer. Ihre Positionen lagen gar nicht so weit auseinander wie vermutet.
Auch diesmal stellte KulturVision e.V. als Veranstalter der Warngauer Dialoge ein spannendes Thema zur Diskussion. „Viele Kulturvereine und -akteure könnten nicht überleben, ohne Förderung durch den Staat und damit auch durch die Politik“, führt Moderator Andreas Wolkenstein von KulturVision und Philosoph an der Ludwig-Maximilians-Universität das Thema ein. „Auf der anderen Seite sehen wir den Anspruch vieler Künstler, machtkritisch und politisch zu sein.“ Daraus ergebe sich eine Spannung: „Beißt man in die Hand, die einen füttert?“
Auch Kunstfreiheit und die Grenzen des Sagbaren in Zeiten von Cancelculture spielten dabei eine Rolle. „Viele glauben, man dürfe heutzutage überhaupt nichts Kritisches mehr sagen“, führt er aus. Gerade deshalb brauche es in der heutigen Zeit Mahner, die Macht in den Blick nehmen und Machtmissbrauch aufdeckten. „Kunst und Kultur kann ein Medium sein, das eine demokratische, inklusive und menschenfreundliche Gesellschaft am Leben erhalten kann“, sagt er.
Der Galerist Florian Sundheimer beim 7. Warngauer Dialog
Podiumsgast und Galerist Florian Sundheimer, ein Kunsthistoriker, der am Odeonsplatz in München eine Galerie für Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart mit dem Schwerpunkt Frankreich betreibt, stellt gleich zu Anfang klar: „Ich glaube, ich bin als Antipode eingeladen worden, der schöne Kunst verkauft und von Politik nichts wissen will“, sagt er. Diesen Part könne er aber nicht erfüllen. Als Selbständiger, der vom Verkauf von Kunst lebe, könne er auch Künstlern eine Bühne geben, die politisch sind. Es sei eine Kann-Sache.

Andreas Wolkenstein von KulturVision (rechts) moderierte den Abend. Foto: CS
Zudem seien Bilder häufig ohnehin in gewisser Weise politisch, denn sie hätten Macht über uns: „Wir werden immer stärker von Bildern in Zeitungen und in Social Media gesteuert und merken gar nicht, wie sehr sie uns beeinflussen“, sagt er. Es sei wichtig, dass Kunst Missstände aufdecke und unseren kritischen Blick schärfe. Dennoch sieht er sie nicht in der Verantwortung, rein politisch zu sein: „Wir können von der Kunst nicht verlangen, alle Probleme zu lösen, die wir als Menschen schaffen“, betont er. Sein Verständnis von Kunst: „Sie macht sichtbar und bildet nicht ab – sie ist etwas, was uns Menschen auszeichnet.“ Sie lasse uns die Welt anders und neu erfahren und bereichere uns damit.
Christian Springer beim 7. Warngauer Dialog: „Kunst und Politik hängen eng zusammen“
Eine klare Position vertritt der Münchner Kabarettist Christian Springer, zusammen mit Michael Altinger bekannt als Gastgeber der BR-Sendung „Schlachthof“. Legendär ist auch seine Kunstfigur „Fonsi“, mit der er den grantelnden Kassenwart spielt, der aus seiner kleinbürgerlichen Sicht Politik und Gesellschaft kritisiert. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte er sein neues Buch „Sisi in Gaza – Was Sie über Gaza nicht wussten und nicht wissen müssen, aber wissen sollten“, ein Mosaik aus Geschichte und Geschichten aus der Region und dem Nahostkonflikt. Schon berufsbedingt steht für Christian Springer fest: „Für mich hängen Kunst und Politik eng zusammen.“
Um seinen Standpunkt zu untermauern, erinnert er mit einem Streifzug durch die Geschichte an die enge Verknüpfung der beiden Bereiche. Man denke etwa an die Nationalsozialisten, die alle modernen Strömungen der Kunst wie etwa Expressionismus und Dadaismus als „entartete Kunst“ diffamierten – und mit der gleichnamigen Ausstellung 1937 ihre Protagonisten verhöhnten. „Es gibt in Diktaturen keine freie Kunst – sie wird plattgemacht“, betont er. Wie etwa in Afghanistan, als die Taliban 2001 die weltberühmten Buddhas von Bamiyan in die Luft sprengten. „Sie haben in einem Dorf ein Akkordeon verbrannt und ein Schlagzeug zerschossen, weil sie es für gefährlich hielten“, erzählt der Kabarettist, der 2012 den Verein Orienthilfe gegründet hat, um Flüchtlingen aus dem Nahen Osten zu helfen. „Das ist die Kraft der Kunst, dass sie andere als gefährlich interpretieren“, sagt der Künstler. Deshalb hätte die freie Kunst immer zu kämpfen.
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Kabarett kann die Politik nicht verändern – nur für Ärger sorgen
Ob Kabarett ein Instrument der politischen Beteiligung sei, will Andreas Wolkenstein von Christian Springer wissen. „Ich bin ein politischer Mensch – nicht nur auf der Bühne“, betont er. „Aber ich wusste schon immer, dass ich mit Kabarett nicht die politischen Zustände verändern kann“, sagt er. „Du kannst Ärger verursachen, aber bewegen tut sich gar nichts.“ Was er sein ganzes Leben schon mache, sei nichts anderes, als nach oben zu sticheln und die Obrigkeit zu verarschen.

Monika Ziegler, erste Vorsitzende von KulturVision, bedankte sich bei den Podiumsteilnehmern, dem Moderator und dem Publikum für den gelungenen Abend. Foto: CS
Nach welchen Kriterien er seine Kunst auswähle, hakt Andreas Wolkenstein bei Florian Sundheimer nach – ob Schönheit und das Politische dabei eine Rolle spielten? „Mit dem Begriff Schönheit tue ich mich schwer, denn ich verstehe mich nicht als Dekorateur“, entgegnet der Galerist. „Die Kunst, die ich zeige, hat damit nichts zu tun“, betont er. Es sei auch nicht unbedingt das Politische. Was ihn interessiere, sei die Form des Ausdrucks – das mache einen Künstler aus. „Kunst interessiert mich nur dann, wenn sie bei mir einen Widerhall hat und mir was zeigt, was ich noch nicht kenne“, sagt er. Sie müsse etwas auslösen. Es sei aus seiner Sicht wichtig, dass Künstler sich immer wieder hinterfragen und was Neues und Revolutionäres ausprobieren.
Zither-Manä spielt beim 7. Warngauer Dialog
Etwas auf neue Art und Weise darzubieten, darauf versteht sich auch der Waakirchner Liedermacher Manfred Zick alias Zither-Manä. Schon von Kindesbeinen an spielte er dieses Instrument. Zunächst in typisch volkstümlicher Art und Weise. Bis der ehemalige Berufsschullehrer in den 1980er-Jahren anfing, auch Rock und Blues darauf zu spielen – und das Ganze mit seinen gesellschaftskritischen und humorvollen Liedtexten zu kombinieren. Genau damit bereicherte der Künstler auch den Gesprächsabend. „Ich bewege mich zwischen Hochkultur und Pop“, kündigte er an und spielte etwa das berühmte Klavierkonzert Nr. 21 von Wolfgang Amadeus Mozart auf der Zither – mit bluesigen Einlagen.
Kunst müsse sich dagegen verwahren, vereinnahmt zu werden, sagte Christian Springer im Laufe des Abends einmal. „Und sperrt man mich ein in Mauern und Ketten, so bin ich allein, kein Mensch kann mich retten“, singt Zither-Manä passend zum Thema. „Nur meine Gedanken zerreißen die Schranken, die Mauern entzwei, die Gedanken sind frei.“ Mit einem simplen Satz fasst der Musiker dann zusammen, was wohl alle Anwesenden an diesem Abend eint: „Kunst muss frei sein!“ Frei, das auszudrücken, was sie will – ob politisch oder nicht.