
Um Himmels Willen kein Chaos!
Johanna Bittenbinder (Mitte), Julius Grimm und Kameraassistentin Nicoletta Lange plauderten offen über die „abenteuerlichen“ Dreharbeiten bei eisiger Kälte im oberbayerischen Penzing. Foto: Daniela Skodacek.
Cast & Crew-Besuch zum Film „Zweigstelle“ im Kino am Tegernsee
„Herzlich willkommen in der Zweigstelle Süddeutschland, Römisch drei, Schrägstrich zwei!“ – Selbst nach dem Tod herrscht im bayerischen „Afterlife“ kein Durcheinander, sondern höchst bürokratische Ordnung. Wo biddschön’ kämen wir denn da sonst hin!?
Die Kinokomödie „Zweigstelle“ geht mit süffisanter Situationskomik, originell absurden Dialogen, aber auch makabren Momenten und einem Ensemble aus altbekannten Stars und Newcomern mit dem sonst ernsten Thema um. Wie es dazu kam, erzählte Regisseur und Drehbuchautor Julius Grimm kürzlich im Kino am Tegernsee. Mit dabei waren Schauspielerin Johanna Bittenbinder und Kameraassistentin Nicoletta Lange.
Kino-Tour Finale von „Zweigstelle“ am Tegernsee
Kinobetreiberin Carmen Obermüller hatte wieder die Gelegenheit ergriffen, um Cast und Crew einer aktuellen deutschen Filmproduktion zu einer Sondervorstellung in ihr heimelig-modernes Lichtspielhaus einzuladen. So endete die offizielle Tour zum Kinofilm-Debüt von Julius Grimm auch just mit dem Termin am Tegernsee vergangenen Mittwochabend (15. Oktober) vor ausverkauftem Saal. Bundesweit angelaufen ist der Film „Zweigstelle“ (Weltkino Verleih) bereits am 9. Oktober.
Regisseur Julius Grimm (2.v.re.) erzählte nach der ausverkauften Vorstellung von den Herausforderungen seines ersten Kinofilms „Zweigstelle“ – eine bayerische Komödie. Foto: Daniela Skodacek.
Der gebürtige Regensburger inszenierte die Tragikomödie als humorvoll groteskes Gedankenexperiment. „Zweigstelle“ spielt mit vertrauter deutscher Gründlichkeit und dreht sie ins Jenseitige. Wie wäre es also, wenn die erste Station nach dem Tod den Charme einer Behörde hätte? Inklusive Nummernausgabe, Sekretariat, Abteilungsleitung und Sachbearbeitungsbüros – für jede Glaubensrichtung ein eigenes. Aber was passiert, wenn der Glaube zu Lebzeiten fehlte? Endet man gar im Nichts? Oder gibt es doch noch Wunder? Vielleicht steht das in den AGB!
Himmlische Akten, irdische Probleme
Zunächst beginnt der Film mit ganz irdischen Wendungen: Resi (Sarah Mahita) will sich eigentlich von ihrem Freund Michi (Julian Gutmann) trennen. Als sie aber von seiner Krebsdiagnose erfährt, bringt sie das nicht übers Herz, obwohl sie sich nach einem anderen Leben sehnt. Nach Michis Tod beschließen Resi und ihre Freunde Sophie (Nhung Hong), Fipsi (David Ali Rashed) und Mel (Beritan Balci), seine Asche – gemäß seinem letzten Wunsch – auf einem Berg in den bayerischen Alpen zu verstreuen. Doch die Fahrt dorthin endet tragisch: Nach einem Autounfall landen sie direkt in der zuständigen Außenstelle des Jenseits.
Himmlische Bürokratie: Johanna Bittenbinder und Luise Kinseher als Sekretärinnen im Jenseits-Amt spielen sich die Aktenlage nur allzu köstlich zu. Foto: Luis Zeno Kuhn
Eben in jener Zweigstelle Süddeutschland, Römisch drei, Schrägstrich zwei, wo die beiden Sekretärinnen Silvia (Johanna Bittenbinder) und Rita (Luise Kinseher) ihre „Fälle“ bearbeiten. Doch die Vorzimmerdamen hadern längst mit ihrer Tätigkeit – zu viele Sterbefälle, zu wenig Zeit, zu wenig Verständnis von oben. Auch ihr Abteilungsleiter (Simon Pearce) will davon nichts wissen. Mit den jungen „Neuzugängen“ haben die himmlischen Bürokratinnen überdies ein formales Problem: Sie haben im Leben an nichts geglaubt – und wer keinen Glauben hat, passt schlecht ins System einer geregelten Ablebensverwaltung.
Wunder gibt es immer wieder
Resi will sich mit dem Schicksal nicht abfinden und heftet sich an die Fersen des wundersamen Hausmeisters (Rainer Bock), während sich ihre Freunde den Abläufen des behördlichen Zwischenreichs fügen. Herrlich witzig ist hier auch Maxi Schafroth als Sachbearbeiter für Buddhisten, der mit streikender Computertechnik und äußerlicher Gelassenheit kämpft.
Vier Freunde auf letzter Mission: Sarah Mahita (vorne) alias Resi, Sophie, Fipsi und Mel finden sich plötzlich in der himmlischen Zweigstelle wieder – Resi will sich mit diesem Schicksal nicht abfinden. Foto: Luis Zeno Kuhn
Kurzum: „Zweigstelle“ ist ein Film, der äußerst amüsant und erstaunlich lebendig ist – stellenweise schimmern sogar ein paar Monty-Python-Momente durch. Selbst die Filmmusik kommt heiter daher: Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys liefern mit ihren Italo-Schlagern (mit „Bella Napoli“ landeten sie den Wiesn-Überraschungshit 2025) – den Soundtrack zum Jenseits. Für die schwarzhumorigen Szenen sorgen vor allem die beiden Bestatter im Diesseits, gespielt von Rick Kavanian und Florian Brückner.
Dreh ohne Luxus, aber mit viel Herzblut
Gedreht wurde mit nur zwei Kameras im Februar dieses Jahres in den Penzing-Studios bei Landsberg am Lech. Die ehemalige Militärkaserne dort bot das perfekte Set: endlos lange Gänge, unzählige Türen, ein Hauch Ewigkeit in Neonlicht. Nur die Dreharbeiten selbst waren alles andere als himmlisch: 20 Tage Zeit, knappe Mittel, eisige Temperaturen.
Maximilian Schafroth glänzt als Sachbearbeiter für die gläubigen Buddhisten – früher war der allerdings für die Wunder zuständig. „Das waren noch Zeiten!“ Foto: Luis Zeno Kuhn
„Wir hatten quasi kein Geld für den Film“, erzählte Julius Grimm nach der Vorführung. Alle Beteiligten, inklusive Schauspielensemble, bekamen den gesetzlichen Mindestlohn von 12,82 Euro pro Stunde. „Wir waren alle überzeugt vom Drehbuch und fanden es toll, dass alle das Gleiche verdienen“, ergänzte Johanna Bittenbinder, die anschließend im Foyer noch charmant über abenteuerliche Zustände ohne fließendes Wasser und Heizung beim Dreh berichtete, was die Crew aber eher zusammengeschweißt habe. „Es war wirklich saukalt. Wir sind nach draußen gegangen, um uns aufzuwärmen“, bestätigte Julius Grimm.
Zwischen schwarzem Humor und Alltagsabsurdität: Rick Kavanian und Florian Brückner als Bestatter im Diesseits. Foto: Luis Zeno Kuhn
„Wir müssen alle nochmal in ein Casting“
Dass sein erster Kinofilm eine Komödie werden sollte, war für Julius Grimm von Anfang an klar. Auf die Idee zu seinem Drehbuch angesprochen, erklärte er offen, er habe persönlich schon früh mit heftigen Schicksalsschlägen umgehen müssen – und Humor sei sein heilsamer Weg gewesen, dem Tod zu begegnen. „Wir müssen im Endeffekt alle nochmal in ein Casting raus“, sagte er augenzwinkernd. Die Entstehung seines ersten Kinofilms verdankt der Absolvent der Münchner Filmhochschule zudem der ungeplanten Verschiebung einer Theaterinszenierung am Münchner Lustspielhaus (Alfred Dorfers „Spinnen“) – so hatte er plötzlich und unverhofft Zeit.
Das Einzige, was an dem Film mithilfe künstlicher Intelligenz bearbeitet wurde, waren die Szenen im Müllerschen Volksbad München, in denen der Hausmeister (Rainer Bock) übers Wasser läuft, bekannte Regisseur Grimm. Ansonsten zeugt der Film von handwerklichem Können und einem anspruchsvollen visuellen Konzept. Foto: Luis Zeno Kuhn
Schon bei der ersten Drehbuchfassung hatte Julius Grimm übrigens Johanna Bittenbinder und Luise Kinseher für die Sekretärinnen-Rollen im Kopf. Denn es sollte ein bayerischer Film werden – auch wenn der Regisseur selbst keinen Dialekt spricht: Dialekt sei in seinem Elternhaus damals „nicht angesagt“ gewesen. Für sein nächstes Projekt will der 38-Jährige der bayerischen Komödie treu bleiben. Es soll auf einer wahren Begebenheit beruhen – mehr wollte er jedoch noch nicht verraten.
Alle Spielzeiten von „Zweigstelle“ unter: www.kino-tegernsee.de
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