Wallenburg

Wallenburg – Vergangenheit und Gegenwart

Ansicht von Schloss Wallenburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Foto: Archiv Wallenburg

Neuerscheinung auf dem Buchmarkt

Ursprünglich sollte es nur eine Familiengeschichte der heutigen Eigentümer von Gut Wallenburg werden. Doch dann beförderte der Autor Friedhelm A. Dölling immer neue Quellen zutage. Entstanden ist eine opulente Darstellung der annähernd 800-jährigen Vergangenheit des Schlossgutes, die auch viele Aspekte der Miesbacher und der bayerischen Geschichte berührt.

Fast drei Kilogramm wiegt die von dem Philologen, Architekten und Familienforscher Friedhelm A. Dölling im Auftrag der Familien von Kameke und von Courten erarbeitete Darstellung über Schloss und Gut Wallenburg. Ein gut lesbares und strukturiertes Buch mit Handbuchcharakter. Nur manchmal schießt der Autor übers Ziel hinaus, wenn allgemeine historische Hintergründe in weit ausschweifenden Exkursen beschrieben werden. Schon der Blick ins Inhaltsverzeichnis verrät den Anspruch von Autor und Herausgebern, eine möglichst vollständige Geschichte des oberbayerischen Schlossgutes von seiner Vorgeschichte bis zur jüngsten Entwicklung zu publizieren. Für die Zeit des Mittelalters und der Neuzeit griff Dölling größtenteils auf bekannte Quellen zurück, die jüngere Geschichte hat er zu großen Teilen mittels unveröffentlichter Quellen aus staatlichen Archiven und vor allem aus dem Schlossarchiv Wallenburg erarbeitet. Ein großer Gewinn für das fast 500 Seiten starke Buch sind die vielen historischen Abbildungen und Fotos sowie zahlreiche Übersichten und Schaubilder, die eine gute Orientierung in der komplexen Geschichte erlauben.

Herrschaft der Maxlrainer

Als Philipp von Apian um 1550 das umfangreiche Kartenwerk der sogenannten bayerischen Landtafeln für den bayerischen Herzog anfertigte, war darin auch Wallenburg bei „Muespach“ eingetragen. Ihre Stammburg über dem Schliersee hatten die Waldecker schon im Mittelalter verlassen und auch der Verkauf des Waldecker Besitzes an die Maxlrainer war damals bereits erfolgt. Sie hatten mehr als 200 Jahre das Sagen in der Herrschaft Hohenwaldeck. Große Bedeutung erlangte in dieser Zeit der Abschluss des Salzburger Vertrags 1559, in dem der bayerische Herzog auf die Landeshoheit über die Herrschaft Hohenwaldeck verzichtete. Eine Folge davon war, dass Wolf Dietrich von Maxlrain die Reformation in der reichsunmittelbaren Herrschaft Hohenwaldeck einführen konnte. Die Auseinandersetzung um den „richtigen“ Glauben hielt die Region allerdings mehrere Jahrzehnte in Aufruhr, bis schließlich 1583 die vom bayerischen Herzog betriebene Gegenreformation obsiegte.

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Darstellung des Schlosses Wallenburg auf einer Ahnentafel des Graf-Maxlrain’schen Stammbaumes, Anfang 18. Jahrhundert. Foto: Friedhelm A. Dölling.

In die Zeit der Maxlrainer fällt auch eine rege Bautätigkeit in Wallenburg. Die alte Burganlage wurde zu einem stattlichen Schloss ausgebaut. Das heutige Haupthaus war Teil des damaligen Südflügels. Mit der Errichtung eines Brauhauses in unmittelbarer Nähe des Schlosses begründete Wolf Wilhelm von Maxlrain die Brautradition in Wallenburg, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fortbestand.

Private Eigentümer seit Beginn des 19. Jahrhunderts

Entsprechend der Regelung im Salzburger Vertrag von 1559 fiel Wallenburg nach dem Aussterben der männlichen Linie der Maxlrainer im Jahre 1734 an den bayerischen Landesherrn. Gebäude und Einrichtungen wurden stark vernachlässigt. Erst als 1812 mit dem Bierbrauer Franz Xaver Wieninger aus Dachau wieder ein privater Eigentümer auftrat, ging es mit dem Gut wieder aufwärts. Zwar erlebte Wallenburg in den folgenden 100 Jahren zahlreiche Besitzerwechsel, aber damit war auch der Ausbau der Brauerei, der Bau eines weiteren, großen Bierkellers und einer Gastwirtschaft verbunden. Sie wurde zu einem beliebten Ziel für die Sommerfrischler, die auf der neu errichteten Eisenbahnlinie aus München anreisten.

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Ansicht der Gastwirtschaft („Bauhaus“), Ende 19. Jahrhundert. Links neben dem Wirtschaftsgebäude ist das Schloss zu sehen. Foto: Archiv Wallenburg, Dr. Kartz von Kameke.

Wallenburg im 20. Jahrhundert

Mit dem Kauf von Wallenburg durch Dr. Richard Gans im Jahr 1919 setzt die Geschichte der heutigen Eigentümerfamilie ein. Dieser Teil des Buches ist sicherlich der wichtigste und auch der bedrückendste, denn er behandelt die Zeit der Bedrängung und Verfolgung der Familie Gans während im nationalsozialistischen Deutschland. Neben erstmals veröffentlichtem Behördenschriftgut werden auch Erinnerungen und Berichte der Beteiligten ausführlich zitiert.

Richard Gans, geboren 1880, stammte aus einer wohlhabenden Frankfurter Industriellenfirma mit jüdischen Wurzeln. Sowohl sein Vater als auch er selbst waren vor 1900 zum protestantischen Glauben konvertiert. Nachdem bald klar war, dass Richard Gans die väterliche Chemiefabrik nicht übernehmen würde, wechselte er vom Chemie- zum Jurastudium, aber im Grunde seines Herzens betrachtete er sich als Künstler. Richard Gans lebte, bereits verheiratet mit Elfriede Johanna Bosin, eine Zeitlang in der Künstlerkolonie Dachau. Während seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg wandte er sich von der Malerei ab. Stattdessen galt sein Hauptinteresse nun der Modernisierung der Landwirtschaft. 1919 kaufte er Gut Wallenburg und baute es zu einem modernen Musterbetrieb mit mehreren Dutzend Arbeitern und Angestellten aus.

Auch im öffentlichen Leben seiner neuen Heimat mischte Gans mit: Er engagierte sich im Vorstand der evangelischen Kirche in Miesbach und wurde 1920 in den Gemeinderat von Wies gewählt. Dabei machte er aus seiner politischen Einstellung kein Hehl: Er bezeichnete sich selbst als national und patriotisch und leitete bis 1935 die Ortsgruppe des Deutschen Offiziersbunds.

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Richard Gans um 1930. Foto: Archiv Wallenburg, Dr. Kartz von Kameke.

Arisierung und Restitution von Gut Wallenburg

Doch auch Richard Gans bekam die volle Wucht des nationalsozialistischen Terrorregimes und seiner Rassenideologie zu spüren. Zwar schien er lange nicht wahrhaben zu wollen, dass er selbst gefährdet war. Er war überzeugt, dass es ihm gelingen würde, sein „Makel“ als Jude ablegen zu können. So ging er sechs Jahre lang durch alle Instanzen bis zur sogenannten erbbiologischen Untersuchung an der Poliklinik in Berlin-Charlottenburg – und wurde im April 1942 dennoch als „Volljude“ eingestuft. Damit war seine Existenz vernichtet: Gans musste innerhalb kürzester Zeit eine horrende Summe Geldes aufbringen, die sogenannte Judenvermögensabgabe, er wurde ins Lager Milbertshofen verbracht und die Gauleitung München-Oberbayern führte die Enteignung von Gut Wallenberg durch. Zwar kam Gans wieder frei, er starb aber kurz Zeit später an einem Krebsleiden.

Auch die Rückgabe von Gut Wallenburg nach Kriegsende an die beiden Töchter Edith und Beate zog sich bis Januar 1949 hin. In den 1960er-Jahren fiel dann die Entscheidung der jüngeren Tochter Beate von Kameke, Wallenburg wieder zu einem landwirtschaftlichen Gut auszubauen. Seit 1986 besteht der BIOLAND-Betrieb mit Milchwirtschaft, Gemüsegärtnerei und Biomarkt.

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Wallenburg heute. Blick nach Süden auf Hofladen und Gärtnerei. Foto: Archiv Wallenburg, Friedhelm A. Dölling.

So hat die bewegte Geschichte von Wallenburg – vorerst – ein gutes Ende gefunden; dass die Familie sich nicht scheute, auch die historischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts offenzulegen und den Finger in die Wunde zu legen, verdient Respekt und Anerkennung.

Friedhelm A. Dölling: Wallenburg – Vergangenheit und Gegenwart. Ein Schloss und seine Geschichte, hrsg. von den Familien Kameke und von Courten, Lengerich 2017, 489 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-00-056322-5, 59 €.

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