Erika Schultes war die Geburtshelferin unserer Zeitung Kulturbegegnungen. Wir lernten uns vor knapp zehn Jahren kennen, als die Geschäftsführerin des TBO (Tourismusverband Bayerisches Oberland) sich ideell und finanziell an unserem neuen Projekt beteiligte. Schon damals fiel mir ihre herzliche Art auf, ihr großes Interesse an Kultur. Wir arbeiteten sehr partnerschaftlich zusammen. Und dann war sie plötzlich nicht mehr da.

Beginnen wir am Anfang. Erika Schultes hatte schon immer den Traum, etwas mit Musik und Kindern zu machen, aber die Eltern empfahlen ihr einen sicheren Job. So wurde sie Postbeamtin, nicht ungern, denn die Freiheit beim Briefe austragen gefiel ihr sehr. Da sie für ihren guten Abschluss eine Begabtenförderung erhalten hatte, holte sie die Mittlere Reife nach und wollte das Abitur machen. Aber mit Anfang 20 erkrankte sie an Krebs und traute sich die Belastung nicht zu. Sie wurde gesund und ging zurück zur Post und später zur Stadtverwaltung in Regensburg.

Parallel dazu machte sie Musik, hatte ihre eigene Mädelsband, das half ihr über die schwere Zeit der Erkrankung hinweg. Und sie schaffte die große Herausforderung: Fachhochschulreife über das Telekolleg, neben dem Beruf. Danach arbeitete sie in der Tourismusinformation und machte den Abschluss als Tourismusfachwirt. Für ein Jahr ging sie an den Bodensee, aber „mein Herz schlägt bayerisch“, sagt sie und bewarb sich um eine Stelle beim Tourismusverband Bayerisches Oberland in Miesbach, der gerade gegründet worden war. Als Assistentin des Geschäftsführers begann sie, aber nach dessen sehr schnellen Ausscheiden wurde sie selbst Geschäftsführerin.

Mit geringem Budget und ohne Personal habe sie angefangen den Verband aufzubauen, erzählt sie. Der TBO war ein übergeordneter Landkreis-Verband und somit für alle 17 Gemeinden zuständig, die Schwerpunkte aber sind für den nördlichen und südlichen Landkreis unterschiedlich. Als Spiegel der Region sieht Erika Schultes diese Struktur und die gegenwärtigen Querelen in der Tourismusdiskussion geben ihr Recht. Zu dieser Zeit wurde Landrat Norbert Kerkel krank, er hatte sie rückhaltlos in ihrem Engagement unterstützt. Der TBO stand auf wackligen Beinen. Sie verbündete sich mit Menschen, die wie sie die Schätze der Natur erkannt hatten, mit Bäuerinnen, mit Kräuterpädagogen, und brachte eine Reihe touristischer Projekte auf den Weg. Wie den südostbayerischen Jakobsweg, den sie in drei Etappen, von Bad Aibling nach Holzkirchen mit neuen Inhalten versah und damit ein nachhaltiges touristisches Angebot für den nördlichen Landkreis schuf.

Schließlich fand sie noch einen neuen Namen: Alpenregion Tegernsee-Schliersee (ATS). Sie brachte viel Kraft und Energie für den Aufbau des Verbandes auf, auch um manche Hindernisse beim Zusammenwachsen der Gemeinden im Landkreis Miesbach aus dem Weg zu räumen und ist stolz auf das, was sie auf den Weg brachte. Ein zu großer Einsatz ist aber auf die Dauer nicht gesundheitsförderlich, zumal der Gestaltungsfreiraum nicht sehr groß war. Um das eigene Potenzial entfalten zu können, wechselte sie die Spur und machte sich selbständig. Sie machte Fortbildungen in Musiktherapie, Musikpädagogik und Bewusstseinsentwicklung und ließ sich durch Coaching, beispielsweise über NLP, auf ihrem neuen Weg beraten und unterstützen. „Das würde ich jedem empfehlen, der seine Spur wechseln will“, sagt sei. Ihre Vision war, auf ihr Herz zu hören im Vertrauen darauf, dass es weiß, was richtig ist. Nach fünf Jahren kündigte sie und stand mittellos da. Über eine Exixtenzgründungsberatung fand sie ihre Richtung und begann mit dem Musikgarten für Kinder.

Ihr Rat ist, selbst die Dinge in die Hand nehmen und gleichzeitig abwarten können, auch wenn das gegensätzliche Modelle sind. „Geben und Nehmen, Aktiv und Passiv, wenn das im Ausgleich ist, dann sind wir gesund“, erklärt sie. Ihr half, dass sie in ihrem Mann eine Stütze für die Selbständigkeit fand. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt sie und am Anfang schwierig, denn man müsse die Freiheit der sicheren Existenz loslassen. Wichtig dabei sei, auf mehreren Beinen zu stehen. So hat Erika Schultes heute eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote in ihrem Programm. Dabei kam ihr eine verrückte Idee zu Hilfe. Sie verliebte sich in einen Schäferwagen!

„Ich habe meine Lebensversicherung aufgelöst und verkauft“, sagt sie und der Schäferwagen stand vor ihrer Tür in Irschenberg. Darin zieht sie durch die Lande, denn er kann als Wohnwagen an ihr Auto angehängt werden, oder er dient daheim als Betriebsraum für die Kurse. Sie erfüllte sich ihren Traum und jetzt dient er dazu, dass sich andere ihre Träume erfüllen. Kinder lieben die Heimeligkeit, Geborgenheit und Lebensfreude ebenso wie Erwachsene. Hier kann sie mit den Kindern singen, basteln, Märchen erzählen, Naturerlebnisse genießen. Aber auch Erwachsenen bietet sie unterschiedliche Dinge an: Singen, Meditieren, Spüren, Klangmassage, wobei sie gern den Jahreskreis, wie Tag- und Nachtgleiche, Walpurgisnacht oder Sonnwende einbezieht. „Was mich anzieht, das mache ich“, sagt sie.

Mit einem neuen Projekt schließt sich der Kreis. Ihren dreitägiger Jakobsweg, für den TBO entwickelt, bietet sie jetzt als begleitetes Pilgern mit Singen, Klingen und Meditation an. Besonders am Herzen liegt ihr, dass auch andere Menschen Kraft aus dem Singen schöpfen. So entstand die Idee der Veranstaltung „D‘ Natur singt und spricht“- eine poetisch-musikalische Sommerreise, die sie mit der Autorin Maria Magdalena Widmann gemeinsam durchführt und wo sie zum Mitsingen von Liedern aus verschiedenen Kulturen einlädt. Schon zweimal beim Hennerer in Schliersee durchgeführt, werden die Musikerin und die Autorin am 8. Juni um 20.15 Uhr im Café Trödl der Bruckmühle in Valley auftreten. „Da kann ich alles einbringen, Gitarre und Singen, Gstanzl und Fredl Fesl“, erzählt sie ganz begeistert. Wichtig ist ihr dabei das Miteinander, um die Verbundenheit und Freude mit dem eigenen Ausdruck zu erleben.

Und von ihrem allerneuesten Projekt: Segenszeremonien für Kinder und Paare. Frei von jeder Religion, denn schließlich sei die Essenz überall dieselbe, sei bei ihr die Grundlage die Liebe. „Ich möchte Menschen begleiten auch durch Schweres hindurch, durch die Ängste, durch das, was ich selber erlebt habe“, sagt sie. Und das tut sie mit Lebensfreude, mit Musik, Klang und Natur.

Weitere Informationen unter www.erika-schultes.de.

Monika Ziegler
Publiziert 26. Juni 2013