Sein Weg schien zunächst klar zu sein. „Ich werde Ingenieur in der Industrie.“ So studierte der aus Schweinfurt stammende Elektrotechnik an der Universität Erlangen. Daneben aber habe er sich für Religion interessiert und sich auf die Suche begeben, diese aber abgebrochen, denn das nicht einfache Studium erforderte seine ganze Konzentration. Danach war der Weg wiederum klar: „Ich gehe zum größten Elektrokonzern.“ Eine Bewerbung nur habe er geschrieben und prompt die Stelle bei Siemens bekommen. In den Vertrieb wollte er, denn seine Neigung, mehr mit Menschen als mit Maschinen zu arbeiten, kristallisierte sich immer stärker heraus. Und er war erfolgreich. Das Unternehmen schickte Horst Blüm als Vertriebsleiter nach Australien. Nach vier Jahren kehrte er zurück. „Weil mir die deutsche Kultur näher liegt als die australische“, erklärt er. Inzwischen hatte er seine Frau kennen gelernt, heiratete, das Paar bekam zwei Kinder, die heute 12 und 14 Jahre alt sind. „Das macht sehr viel Freude, auch wenn wir mal zoffen“, lächelt der Familienvater.

In Australien aber hatte er auch erkannt, dass das harte Vertriebsgeschäft nicht seinem Lebensziel entspricht. Er nahm die unterbrochene Suche wieder auf, befasste sich mit Buddhismus, Alchemie, Freimaurerei, probierte als Naturwissenschaftler die verschiedenen Wege aus. Aber er wollte dies nicht nur in der Freizeit tun, sondern auch im Beruf. „Wenn man das nicht tut, zerreißt es die Persönlichkeit“, sagt Horst Blüm.

Er traf auf eine Führungskraft der Unternehmenszentrale, verantwortlich für Trainings, und sprach ihn an. Das neue Konzept, das Siemens verfolgte, schien ihm die richtige Spur zu versprechen: Die Führungskräfte sollten sich mehr um die Menschen kümmern und damit mehr Umsatz bringen. Er wurde als Vertriebspraktiker in die Mannschaft in München aufgenommen und entwickelte neue Trainingskonzepte. Wieder war er erfolgreich, stieg auf bis zum Fachbereichsleiter. Und es machte ihm Spaß, Führungskräfte so zu trainieren, dass sich alle Mitarbeiter wohlfühlen.

Dann aber kam die Ernüchterung. „Siemens betreibt diese Trainings als Produkte“, beschreibt Horst Blüm die Vorgehensweise. Vorher habe er Maschinen verkauft, jetzt Trainings, wieder ging es nur um Umsatz. Horst Blüm merkte, dass er eigentlich nichts Neues tat, dass er dieselbe Schiene fuhr und Wirtschaftszwängen unterlag.

Er entschied sich zunächst, an der Fernuniversität Hagen nebenbei Psychologie zu studieren, merkte aber bald, dass es ihm um mehr ging, nämlich die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten. So sattelte er auf Theologie um und spürte immer deutlicher: „Siemens ist eine Sackgasse für mich.“ Dennoch blieb er zunächst dabei, obwohl ihn die Theologie immer stärker einsaugte. Parallel dazu engagierte sich Horst Blüm in der katholischen Kirchengemeinde. Im Jahr 2000 war die Familie nach Holzkirchen gezogen und er klinkte sich in die Arbeit der Gemeinde ein.

Der richtige Spurwechsel kam, als Siemens umstrukturierte. Inzwischen war Horst Blüm zum stellvertretenden Geschäftsführer des Unternehmensbereiches für Trainings geworden, er war verantwortlich für 180 Mitarbeiter. Der Konzern strich die Trainings drastisch zusammen, die Mitarbeiter mussten entlassen werden. Zwar habe er für alle Stellen gefunden, aber jetzt merkte er: „Das will ich nicht, das bin ich nicht.“


Die Kulmination der äußeren Ereignisse führte dazu, dass sich die Entscheidung für ihn verdichtete und er sich dieser Entscheidung anvertrauen konnte. Er erzählt: „Vor einer wichtigen Sitzung habe ich gebetet und dabei gespürt, dass ich gehalten werde, nicht allein bin und dass es nicht darauf ankommt, wie die Sitzung ausgeht.“ Das mache stark.

In dieser Situation erfuhr er von dem Beruf des Diakons und er wusste, jetzt ist die Suche beendet, was den Beruf anbelangt. Einfach war es nicht, denn die Ausbildung dauert insgesamt zehn Jahre. Horst Blüm hörte 2005 bei Siemens auf, arbeitete noch ein Jahr als Unternehmensberater, um ein finanzielles Polster zu haben und ging dann ins Praktikum. Ab 2008 hatte er eine Anstellung. Er betont: „Die Kirche unterstützt den Spurwechsel, sie hat Vertrauen in Menschen, die diesen Schritt wagen.“ Denn es ist ein Wagnis. Aber Horst Blüm hat noch eine andere Erfahrung gemacht: „Wenn man erfolgsgewöhnt ist, hat es etwas Erweiterndes, wenn man auf dem Arbeitsamt sitzt.“ Ein halbes Jahr war er arbeitslos, seine Frau trug die Situation mit ihm, konnte der kleinen Kinder wegen in dieser Zeit nicht arbeiten. Sie habe gesagt: „Ich mag lieber einen zufriedenen Diakon als einen unzufriedenen Manager.“

Heute ist Horst Blüm Diakon in der Miesbacher Pfarrgemeinde. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, andere Menschen zu ermutigen, herauszufinden, wie sie gemeint sind. „Der Weg Jesu Christi ist, das zu werden, was man ist“, erklärt er den Spurwechsel in Worten des christlichen Glaubens. Dieser müsse hilfreich sein und Daseinskraft geben, er müsse gemeinschaftsfähig machen, dann habe er seinen Zweck erfüllt. Und er wolle dabei mitwirken, denn er habe die Suche nach dem Mittelpunkt des Lebens in Gott gefunden.

Monika Ziegler
Publiziert 19. November 2013