Träume von einer Kunst des Gleichgewichts

Gabriele Münter: Landschaft bei Murnau, 1912/13, Privatbesitz. Foto: Ausstellungsflyer

Ausstellung im Schlossmuseum Murnau

Wer sich in diesen Frühlingstagen ins „Blaue Land“ aufmacht genießt atemberaubende Aussichten und einen Farben- und Formenreichtum, von denen Künstler seit Jahrhunderten inspiriert werden. Glaubt man, die Landschaftsbilder hinreichend zu kennen, so wird man in der Sonderausstellung des Schlossmuseums Murnau rasch eines besseren belehrt. Natürlich trifft man auf die Ideallandschaften, die dörflichen Alltags-, Tier- und Jagdmotive. Aber sie sind garniert mit ironischen Darstellungen und nur selten öffentlich gezeigten Kostbarkeiten, die die Besucher ins Schwärmen geraten lassen, so wie Henri Matisse 1908: „Ich träume von einer Kunst des Gleichgewichts, der Reinheit der Ruhe, ohne beunruhigende und sich aufdrängende Gegenstände“.

Kaltenbrunner Hof am Tegernsee

Unter den Bleistiftzeichnungen, Kupferstichen, Lithografien, Aquarellen und Ölgemälden befindet sich auch der kolorierte Stich „Eine Schleifmühle bey Ohlstadt“ von Joseph Anton Sedlmayr, die „Ansicht des Kaltenbrunner Hofes am Tegernsee“, ein wunderschönes Aquarell von Heinrich Adam, oder „Die Alpen mit Zugspitze vom Murnauer Moos aus gesehen“ des norwegischen Malers Thomas Fearnley, das amerikanische Privatsammler ins Schlossmuseum Murnau entsandten. Sie lassen bildhaft werden, wie sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine neue Bewegung etablierte, in deren Folge sich das städtische Bürger- und Großbürgertum viele Rückzugsgebiete schuf – sei es im Isartal, am Starnberger-, Staffel- oder Tegernsee. Nach und nach entstanden Landhäuser und Villen, die noch heute das Erscheinungsbild der oberbayerischen Alpenvorlandschaft prägen. Architekten wie Arnold Zenetti 81824-1891), Friedrich von Thiersch (1852-1921) und Emanuel von Seidl (1856-1919) gewannen immer mehr an Einfluß. So kamen auch die Mann-Kinder Monika, Golo, Erika und Klaus aufs Land, nach Bad Tölz, wie es eine Fotografie von 1913 zeigt. Die Ausstellung beleuchtet nicht nur das Phänomen der Landhausbewegung im 19. Jahrhundert, sondern auch die damit einhergehende Sammlertätigkeit.

Interieur-, Porträt- und Tierfotografien unter neuen Vorzeichen

„Bei aller Unterschiedlichkeit der hier versammelten Arbeiten ist ein Charakteristikum ihre Anbindung an verschiedene historische Bildtraditionen der Landschafts- und Naturdarstellungen sowie der Interieur-, Porträt- und Tierfotografien unter neuen Vorzeichen“ wie es im Ausstellungsflyer heißt. So ist die Schweizer Foto- und Videokünstlerin Annelies Strba ist mit einer Auswahl von Madonnenbildern vertreten, die Teil eines mehrjährigen Projektes kleinformatiger Fotoarbeiten sind, die die Künstlerin zu Tableaus zusammengefasst hat. Neuzeitliche Bilder von Reiner Wagner sind kombiniert mit einer Landschaftsskizze von Gabriele Münter. Auch Lovis Corinth und Otto Dix, deren Farben sonst nicht zu bremsen sind, überraschen mit zarten Skizzen – sei es aus dem Kuhstall oder aus dem Gebirge. Und ein unbekannter Fotograf hat 1915 Olaf Gulbransson auf einer „Schlittenpartie mit Dame“ festgehalten, während Niko Luoma eine „Winternacht am Eismeerbahnhof“ des Jahres 2002 zeigt. „Auch der in der zeitgenössischen Fotografie vergangener Jahrzehnte vielfach thematisierte „Ausverkauf der Landschaft“ findet hier, wenn auch sehr leise, seinen Widerhall“, wie Rudolf Scheitle in seinem Katalogbeitrag resümiert.

www.schlossmuseum-murnau.de

„Aufs Land!“: Landshausbilder von Kobell bis Richter. Ausstellung im Schlossmuseum Murnau bis 26. Juni 2016, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.

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