Sonntagskolumne: Tütengeschichte Nr. 1

Foto: Anschi Hacklinger

Künftig wollen wir Ihnen in unregelmäßigen Abständen an dieser Stelle Gedanken unserer Kulturschaffenden präsentieren, Dinge die sie umtreiben, die sie bewegen und die sie mit Ihnen teilen möchten. Den Anfang macht die Musikerin Anschi Hacklinger aus Weyarn.

Ressourcen sparen, das wär’s. Auch oder gerade im Kleinen. Auf die Politiker schimpfen kann jeder, bei sich selber anfangen ist die größere Herausforderung. Die Autorin nimmt sie an – und je nachdem scheitert sie auch mal, fühlt sich wie der siegreiche David neben dem grossen Goliath oder amüsiert sich über ihre leidenschaftlichen Ambitionen, die Welt zu retten.

Erster Schauplatz – neulich beim Bäcker. „Was darf’s denn sein?“ „Bitte eine Breze. Zum gleich essen, ohne Tüte.“ Die Bäckereifachverkäuferin nickt freundlich, nimmt eine Breze aus dem Fach, nimmt eine Papiertüte vom Stapel und steckt die Bre… „Nein, danke, ich wollte keine Tüte.“
„Ach so“, sagt sie, nimmt die Breze wieder aus der Tüte, reicht sie mir über die Theke und wirft die Tüte in den Mülleimer. NEIN!!! Es geht hier um Müllvermeidung, kapiert? MÜLL-VER-MEI-DUNG! Aber wenn diese Person besagte Tüte in den Müll schmeisst, anstatt sie auf den Stapel zurück zu legen ist das noch absurder, als wenn ich sie draussen in den Papierkorb stecke, und das will was heissen.

397 Brezen in der Tüte

Ich unterstelle der Verkäuferin noch nicht mal Absicht. Ich vermute Routine. Vermutlich verkauft sie jeden Tag ungefähr 397 Brezen und Semmeln und Dinkelstangen und Croissants. Schmeckt alles gut, ich habe mich im Laufe der Jahre schon ganz gut durch den Laden probiert. Und es ist immerhin eine richtige echte Bäckerei mit Backstube. Der Chef bäckt noch selber, hat noch eine zweite kleine Filiale, läuft alles gut.

Bis auf….ja, das Tütenproblem. So wie mich gibt es noch viele Käufer, die einfach schnell eine kleine Brotzeit „auf die Hand“ wollen. Jeden Tag bestimmt 50 Menschen, auch jede Menge Kinder, mal schnell eine Breze oder Semmel zum gleich essen. Und jeder dieser 50 Menschen bekommt seine Ware IM Laden in eine Papiertüte eingepackt und packt sie sofort DRAUSSEN wieder aus und schmeisst die Tüte in den Papierkorb, der neben der Tür steckt.
Lebensdauer dieser Papiertüten: 20 Sekunden. Zurückgelegte Strecke: 2 Meter.

Foto: Anschi Hacklinger

Dafür werden Bäume gefällt, Energie verbraucht, Geld ausgegeben. Für nix und wieder nix.
Dasselbe gilt für Coffee-to-go-Becher. Und diese landen darüber hinaus immer wieder in der freien Natur.

Zweiter Schauplatz – Sonntag, bei einem anderen Bäcker, Frühstückseinkauf für die Familie. Der Stoffbeutel ist auf’s Fahrrad geklemmt, Geldbeutel in der Jackentasche. Vor mit stehen drei Leute in der Schlange, man kennt sich, Smalltalk..

Papiertüte im Stoffbeutel

Die Verkäuferin ist fix, schon bin ich dran. „Was darf’s denn sein?“ „Äh, drei Brezen und zwei Laugenstangen und hm,…Dinkeljoghurtsemmel…“ Kaum habe ich alles aufgezählt, höre ich schon „Das macht 3 Euro und 60 Cent“. Ich zähle das Kleingeld aus dem Geldbeutel auf die Ladentheke, stecke ihn wieder ein. Nehme die Tü… – “oh nein!“ Die Verkäuferin zuckt zusammen, während sie mir meine Semmeln und Brezen in einer weissen Papiertüte entgegenhält, die ich jetzt wiederum in meinen Stoffbeutel stecke. Zu spät.

Auch hier hätte ich gleich sagen können, dass ich keine Tüte brauche, sondern sogar einen eigenen, extra sauberen, weil gewaschenen Stoffbeutel dabeihabe, in diesen hätte sie die Ware legen können. Aber ich vergesse es. Jedes Mal wieder.

Nächsten Sonntag bekomme ich eine neue Chance.

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