Als mir einmal eine Verkäuferin die gute Laune zurückzauberte

Tütenregal im Supermarkt. Foto: Anschi Hacklinger

Sonntagskolumne

Ressourcen sparen, das wär’s. Auch oder gerade im Kleinen. Auf die Politiker schimpfen kann jeder, bei sich selber anfangen ist die größere Herausforderung. Die Autorin nimmt sie an – und je nachdem scheitert sie auch mal, fühlt sich wie der siegreiche David neben dem grossen Goliath oder amüsiert sich über ihre leidenschaftlichen Ambitionen, die Welt zu retten.

Der Tag fing schon ziemlich doof an. Frühstück doof, Familie auch, alles nervt. Der Vormittag ebenfalls. Mittags ist immer noch alles doof. Ich selber, meine Laune, Mann, Kinder….alles. Nachmittags immer noch. Es gibt so Tage, ganz selten, aber doch. Später muss ich noch einkaufen, der Sohn braucht dringend eine neue Hose. Immerhin, wenigstens das klappt, wir finden eine in der passenden Größe und gehen zur Kasse. Die Verkäuferin nimmt die Hose, scannt den Preis, legt sie zusammen – und dann passiert’s. Dann sagt sie den Satz, der mir im Moment und sofort den Tag rettet.

Sie sagt nämlich: „Wollen Sie eine Tüte? Kostet aber 20 Cent.“ Langsam, sehr langsam fange ich an zu grinsen, schüttle den Kopf – und verneine sehr freundlich.

Seit tatsächlich 30 Jahren sage ich an jeder Kasse und zu jeder Verkäuferin den immer gleichen Satz: „Nein, danke, ich will keine Tüte.“ „Nein, keine Tüte.“ „Danke, nein, ich will keine Tüte.“ Plastiktüten vergeuden wertvolle Ressourcen, landen als Müll im Meer und sind vom Umweltaspekt her gesehen eine Katastrophe. Papiertüten übrigens auch, aber das nur nebenbei bemerkt.

Irgendwo muss ich anfangen

Meist wurde ich daraufhin mit einer Mischung aus Mitleid und Verständnislosigkeit angesehen. Diese Weltverbesserer, die meinen, ohne ihre Plastiktüte sei die Welt zu retten. Ja, Entschuldigung, irgendwo muss ich ja anfangen. Politikerin werd ich nicht (die könnten die Plastiktüten komplett verbieten), Lebensmittelkonzernchefin auch nicht (Tüten im Supermarkt verbieten), warum also nicht zumindest mündige und umweltbewusste Kundin. Nein, ich will keine Tüte.

In diesem Moment also wurde mir bewusst, dass mein jahrzehntelanger Kampf gegen Plastiktüten sich zumindest verändert bzw. zum Besseren gewendet hatte. Nicht mehr ich als Kundin muss mich rechtfertigen, weil ich keine Tüte will. Sondern der Laden, der die Tüten ausgibt, der muss sich „rechtfertigen“, indem er Geld verlangen muss.

Obst im Plastikbeutel. Foto: Anschi Hacklinger

76 Plastiktüten werden pro Kopf in Deutschland pro Jahr ausgegeben, 90% davon werden nicht recycelt, sondern landen auf Mülldeponien oder auch im Meer. Noch fehlen die Ergebnisse für Deutschland, ich bin mal sehr gespannt auf die Bilanz nach einem Jahr. Rückmeldungen von verschiedenen Kaufhäusern lassen einen Rückgang zwischen 50 und 90 % erwarten. Selbst wenn es nur 50 % wären, freue ich mich einerseits. Und finde es andererseits unglaublich, dass gesparte mickrige 20 Cent für „die Deutschen“ plötzlich so wichtig sind, dass Gewohnheiten aufgegeben werden, die jahrzehntelang Bestand hatten.

20 Cent retten den Tag

Mir würden noch eine Menge Dinge einfallen, die man durch 20 Cent verändern könnte. Jedes Ei aus Käfighaltung sollte 20 Cent mehr kosten als ein Biofreilandei, zum Beispiel. Jedes Gramm Fleisch, ja, jedes einzelne Gramm Fleisch aus Massentierhaltung ebenfalls 20 Cent mehr. Jeder Coffee-to-go-Becher. Und auch jede dünne, durchsichtige Obstplastiktüte, die nach wie vor in Mengen verwendet werden.

Für’s erste war der Tag jedenfalls gerettet, ich ging pfeifend aus dem Laden und kam bestens gelaunt nach Hause. Wegen 20 Cent. Ganz schön wenig für einen geretteten Abend.

In der Sonntagskolumne bringen wir in unregelmäßigen Abständen Beiträge von Kulturschaffenden zu Themen, die sie umtreiben. Wenn Sie Lust haben sich zu beteiligen, schreiben Sie uns: redaktion@kulturvision-aktuell.de

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf