Die Schein-Heiligen

Realismus und Melancholie

Helga Lucia Kordecki: Die Scheinheiligen. Foto: Petra Kurbjuhn

Ausstellung in Agatharied

Mit überraschend neuen Werken warten Helga Lucia Kordecki und Rudi Leitner in ihrer Ausstellung im Krankenhaus Agatharied auf. Was die beiden Künstler vereint, ist ihre malerische Perfektion und ihre Hintergründigkeit der Aussage.

Ladies first, also beginnen wir in der ersten Etage, wo Helga Lucia Kordecki ihre Werke präsentiert. Die Gmunder Künstlerin ist bekannt für ihre naturalistisch-surrealen Bilder, die von Stille und Einsamkeit erzählen. Ihre immer wieder faszinierende Sicherheit im Umgang mit Farbe und Form kommen auch hier zutage.

Da sind zunächst ihre stillen Landschaften und Stillleben, die aber nicht einfache Abbilder sind, sondern nahezu immer ein Geheimnis bergen, das der Betrachter bei längerem Hinschauen enträtseln oder sich inspirieren lassen kann. Was bedeuten die Riesentropfen im Wald? Warum hat zur Mond-Scheinparty keiner an den vier Tischen Platz genommen? Wer wird der Einladung folgen, in die geöffnete Tür einzutreten? Wem gehört die rote Jacke unter dem roten Sonnenschirm? Können drei Sessel ein Gespräch führen? Wieso sind die Rosen von den Sesselüberzügen auf den Boden gefallen? Bedeutet Abschied am offenen Fenster mit zurückgelassenem Tuch eine Katastrophe?

Risse durch Versöhnung zu kitten?

Was wird in den zwei anderen Schachteln sein, wenn aus der dritten eine Rose sprießt? Wen erwartet der Sessel am offenen Fenster? Sind die Risse in der Wand durch eine Versöhnung zu kitten, die die zwei Tauben metaphorisch vormachen? All diese Bilder kommen ohne den Menschen aus, dieser ist aber indirekt immer präsent.

H. Lucia Kordecki "Siesta"
H. Lucia Kordecki „Siesta I+II“. Foto: IW

Andere Bilder zeigen den Menschen, aber zumeist in seiner Verstrickung, Unvollkommenheit oder Verletzlichkeit. „Enigma“ heißt das Werk mit den drei Frauen ohne Kopf. Ein jeder Betrachter kann seine Assoziation finden, ist hier Rätsel, Geheimnis oder Maschine, Codierung gemeint. Sicherer wird die Zuordnung bei den „Scheinheiligen“, hier stehen sechs Männer und eine Frau in Abendkleidung auf Sockeln: Party, Small talk, aber auch hier sind die Menschen kopflos. Der Einladung zur „Siesta“ folgt die nackte Frau gleich zweimal, während die Frau am Fenster ihrer Verstrickung erliegt.

Mensch wird Träger des Geschehens

Auch in Rudi Leitners Bildern im Erdgeschoss taucht der Mensch auf. Kannte man den Haushamer Künstler in der Vergangenheit hauptsächlich als Maler von unspektakulären, meditativen Landschaften, in denen der Mensch nur seine Spuren hinterließ, so wird er jetzt Träger des Geschehens. Er genießt am Berg in der großen Runde das „Gipfelglück“ und er ist in mehreren Bildern auf dem Schiff unterwegs, als Familie oder als Gruppe, und er sonnt sich en masse am Strand.

Diese Menschen sind zumeist heiter, zumindest scheinen sie in die imaginäre Kamera zu lächeln, und trotzdem strahlen die Bilder Melancholie aus. Die „Begegnung“ des schon etwas älteren Autofahrers mit der jungen Frau im Bikini auf dem Traktor enthält beides: Melancholie und einen Schuss Ironie.

Leitner Käferweb

Rudi Leitner: Käfer. Foto: Petra Kurbjuhn

Rudi Leitner hat zudem Städte und Industrielandschaften gemalt, er setzt Motorräder und einen alten „Käfer“ ins Bild, alles naturalistisch, mit höchster Präzision. Und auch seine stillen Landschaften ergänzen das Werk des Künstlers. Die Wurzel am Strand, der Windbruch im Winterwald, das Ufergras, auch hier die melancholische Grundstimmung eingefangen.

Die Ausstellung im Krankenhaus Agatharied ist im Mai und Juni zu sehen.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf