Von Pralinen und Portwein, Karotten und Marotten

Anschi Hacklinger, Stefan Noelle, Marion Dimbath (v.l.). Foto: Hannah Miska

Konzert in Bayrischzell

Hamburg wär schön… Köln auch… So steht’s auf der Website des vor knapp einem Jahr gegründeten Hacklinger Trios. Noch schöner ist’s, dass das Trio zunächst einmal „bei uns dahoam“ spielt. Das findet auch Anschi Hacklinger, die Gründerin des Trios, für die der Tannerhof in Bayrischzell ganz oben auf der Wunschliste für ein Konzert gestanden hatte.

Den Auftakt für das Konzert am Donnerstagabend am Tannerhof in Bayrischzell gab das Trio-Mitglied Stefan Noelle – Percussionist, Drummer, und neuerdings auch Liedermacher (Debut-CD: „Meinetwegen im Regen“). Gewitzt moderierte er sich an: Da das Trio noch nicht über ein hinreichend großes musikalisches Repertoire verfüge, müsse er nun als seine eigene Vorband fungieren. Das mache er als Barde natürlich gerne, noch dazu in einem so schönen Ambiente – noch nie hätte er im Schein einer alten Stehlampe gespielt.

Sprach’s, nahm seine Gitarre und stimmte das Publikum – zu 90% Hotelgäste des Tannerhof – mit einem Urlaubslied („Pralinen und Portwein“) auf den Abend ein. Da hatte er seine Zuhörer schon fast in der Tasche. Mit dem nächsten Lied riss er es zu Begeisterungsstürmen hin. Sibyllinisch kündigte er es an: Er würde jetzt ein Lied singen, dass er erst vor 10 Tagen geschrieben hätte. Eigentlich müsse er sich aber ein bisschen dafür entschuldigen, weil es etwas unsachlich und unter der Gürtellinie sei.

Stefan Noelle. Foto: Hannah Miska

Man ahnte, was kommt, und Noelle enttäuschte nicht: Es folgte ein Lied über einen Spiegel, schön bei Tiffany gefertigt, der in ein Penthouse in New York geliefert wird und dort tagein, tagaus einen Posen übenden Hünen mit überlangem roten Schlips spiegeln muss. Nach langem Leiden sieht der Spiegel keinen anderen Ausweg, als freiwillig zu erblinden. Ein wohlfeiler politischer Text, goutiert vom Publikum.

„Willst du mit mir fencheln?“

Mit den Liedern, die folgen, zeigt Noelle sein breites Repertoire: er schreibt und singt nicht nur über politisch-soziale Themen, sondern widmet sich gern auch den zwischenmenschlichen Dingen des Lebens – mal ernst, mal heiter und verspielt, mal zärtlich-romantisch. Die Texte sind gut gesetzt, sie kommen poetisch, witzig und zuweilen höchst originell daher, zum Beispiel eine Liebeserklärung in Form von Gemüse („Willst du mit mir fencheln?“). Gitarre und Stimme kooperieren famos, die Musik geht ins Ohr, und die Pause kommt definitiv zu früh.

Darüber tröstet jedoch schnell das Hacklinger Trio hinweg, bestehend aus Marion Dimbath (Tuba, Posaune), Stefan Noelle (Percussion, Rahmentrommel) und Anschi Hacklinger, Klavier. Hacklinger – den meisten bekannt als Kontrabassistin und Komponistin von Fei Scho – hat das Trio vor circa einem Jahr aus der Taufe gehoben, und im letzten Sommer wurde zügig die erste CD produziert („deszwegn“).

Anschi Hacklinger. Foto: Hannah Miska

Wenn man nun nur Musik erwartet, sieht man sich getäuscht. Denn eigentlich ist Hacklinger eine Geschichtenerzählerin (wie sie übrigens auch schon in zwei Büchern bewiesen hat). Zu jedem Lied fällt ihr ein kleines Erlebnis ein, und sie erzählt auf ungemein sympathische Weise, völlig relaxt. Man hört ihr gerne zu. Zum Beispiel, wenn sie von Karotten auf Marotten kommt und uns erklärt, warum ein Karottenmarottenlied durchaus ein Liebeslied sein kann – das ist schon sehr skurril. Oder wenn sie uns Zugroasten anhand eines Schlafliedes das schöne bayrische Wort „dramhappert“ (sinngemäß: noch vom Schlaf benommen) nahebringt, hat das sehr viel Komik. Doch vor allem will sie natürlich eins: mit Stefan Noelle und Marion Dimbath Musik machen – feine Wohnzimmermusik.

Feine Wohnzimmermusik mit der Tuba? Ein innovatives Projekt – und es funktioniert. Marion Dimbath, professionelle Posaunistin und Tubaspielerin, die im Jazz, Pop und Rock zu Hause ist und einige eigene Bandprojekte hat, bietet eine überzeugende Performance. Während die Tuba zuweilen Gefahr läuft, das Klavier leicht zu dominieren, ist das Posaunenspiel von ungeheurer Melodiösität. Und wenn Noelle dieses Posaunenspiel dann mit dem Besen, der Rahmentrommel oder gar mit einem kleinen Pfeifen im Hintergrund untermalt, dann ist das absolut gekonnt.

Stefan Noelle und Marion Dimbath. Foto: Hannah Miska

Hacklingers Kompositionen sind spannend und mitreißend, die Titel oft witzig – so zum Beispiel der „Welttag des Ausmistens“. Wenn sie da über die Tasten des Flügels donnert, dabei stolpert und den Rhythmus wechselt, dann spürt man förmlich, wie alte Klamotten (oder gar Gewohnheiten?) unter die Lupe genommen und aus dem Haus geworfen werden.
Die drei Musiker machen ausgesprochenen Spaß – auch deshalb, weil sie wunderbar kooperieren und untereinander so viel Spaß haben. Geheimtipp: sowohl solo (Stefan Noelle) als auch zu dritt sind die Musiker in und um München zu sehen und zu hören. Unbedingt hingehen – bevor sie nach Hamburg und Köln reisen.

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