Wolfgang Leibnitz und Gerhard Polt im Waitzinger Keller.

Der Mensch – nur ein Zwischenwirt für Parasiten?

Wolfgang Leibnitz und Gerhard Polt im Waitzinger Keller. Foto: Thomas Plettenberg

Benefizmatinee in Miesbach

„Jahresendzeitgeschichten mit Musik“, so hieß die Benefizmatinee mit Gerhard Polt und Wolfgang Leibnitz im ausverkauften Saal des Waitzinger Kellers in Miesbach. Philosophisch-tiefgründiger und gleichzeitig komischer als Polt kann keiner in diesem Land die Jahresendzeit offen legen.

Man hat sich gebogen vor Lachen, man hat sich ausgeschüttet vor Lachen, genau das konnte man beobachten, an sich selbst und an den anderen Zuhörern. Gerhard Polt hat einen Humor, der so genau ins Innerste trifft, der so genau das Verhalten der Menschen widerspiegelt, dass es wehtut. Durch die Überspitzung allerdings wird es komisch, urkomisch. Und die Poltsche Art des Vortrages ist schlicht einmalig.

Zugunsten Nachbarschaftshilfe

Da sitzt dieser Gerhard Polt vor einem Adventskranz mit zwei angezündeten Kerzen, ganz idyllisch und redet über menschliche Wärme und Großzügigkeit in der Adventszeit. Schließlich war die Veranstaltung zugunsten der Miesbacher Nachbarschaftshilfe gedacht. Deren Vorsitzende Kristina Heinhold informierte, dass diese seit 10 Jahren besteht und die 40 bis 45 Helfer komplett ehrenamtlich tätig sind und für die Hilfesuchenden keinerlei Kosten entstehen. Um aber zumindest Auslagen ersetzen zu können, benötige der Verein Geld. Sie dankte den beiden Künstlern für ihr Engagement.

Und Polt bringt als erstes einen Beitrag über Advents-Patenschaft. Das Ehepaar Böhm hat sich entschlossen, einem einsamen Menschen Wärme zu geben und darf sich aus einem Katalog den passenden Kandidaten aussuchen. Das Ganze ist so schrecklich typisch, dass sich das Entsetzen nur durch Lachen Luft machen kann. Jung geht nicht, Raucher geht nicht, Ausländer geht nicht, schiefe Bahn geht schon dreimal nicht „Sein’s mer ned bös“.

Mozart und Joplin

Nur gut, dass zwischen den bitterbösen Geschichten Wolfgang Leibnitz spielt. Der langjährige Schüler von Claudio Arrau ist als renommierter Solist, Liedbegleiter und Kammermusiker bekannt und hat sich insbesondere als Interpret klassischer und romantischer, sowie zeitgenössischer Klavierliteratur einen Namen gemacht. Seine Mozart-Variationen zu „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ schufen eingangs die passende Stimmung zur „Advents-Patenschaft“, die er aber danach mit einem schmissigen Rag von Scott Joplin gekonnt auflöste.

Wolfgang Leibnitz und Gerhard Polt beraten über die Zugabe

Wolfgang Leibnitz und Gerhard Polt beraten über die Zugabe. Foto: Thomas Plettenberg

Gerhard Polt nimmt sich jetzt den Gratler vor. Den nämlich gebe es überall, der Nachbar beispielsweise, der sich nicht an die Grillverordnung der Anlage halte, die nur 12 Würste vorsehe, er aber habe jetzt als Beweis eine Drohne. Und schwenkt zu tiefsinnigen Betrachtungen wie „Was ist der Mensch?“ Nur ein Zwischenwirt für Parasiten? Oder ein gefundenes Opfer für Religionen? Oder den Fußpilz? Und was ist wir? Die anderen natürlich. Und welche Vorzüge hat der Depp? Der Karle, zum Beispiel, der kein Licht ist, eher eine Funzel, aber der ein Herz hat, im Gegensatz zum Intellektuellen.

Krampustrauma und laktoseintoleranter Jason

Gottlob spielt Wolfgang Leibnitz ganz wunderbar dazwischen Beethoven und Gershwin, Debussy und Grieg, Joplin und Bartók, so dass sich der Zuhörer wieder gerade hinsetzen kann nach dem Sich biegen vor Lachen, seine Gedanken und Gefühle wieder zur Ruhe kommen, ehe Polt wieder mit der Wucht seiner Texte und seiner Vortragskunst sich seiner bemächtigt. Etwa mit dem Kraftfahrer Hofinger, der viel Freude am Durscht hat, auch an Weihnachten oder der Poltschen Kindheitserinnerung an seine erste Revolution, bei der er sein Krampus-Trauma am Studentenschnelldienst für Nikoläuse auslässt.

Hinreißend komisch spricht Gerhard Polt seine lispelnde Alte, die sich dem laktoseintoleranten Jason ebenso vorknöpft wie seine ihn im SUV kutschierende Mama und gleich danach den indischen Pfarrer, der jammert „I am a sheppard but no sheeps“ und „ we need revolution in church.“

Damit war das eigentliche Programm zu Ende, aber die beiden Künstler ließen sich noch zu einer Zugabe überreden. Zum Brüllen komisch die säuselnde und unbedarfte Moderatorin Tizy in der Small talk Runde, die Herrn Bär interviewt, der Alkoholsport zugunsten der Aktion Sorgenkind betreibt. Gerhard Polt macht vor keinem Tabu Halt, wie schön.

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